Auch Dichter liegen manchmal arg daneben. Der Fortschritt, schreibt Nestroy, habe "das an sich, dass er viel größer ausschaut, als er wirklich ist". Einen solchen Satz konnte auch nur jemand schreiben, der Facebook nicht kannte. Einen größeren Fortschritt als dieses "soziale Netzwerk" gab es in der Evolution unserer Gattung noch selten.

Mit Facebook machen wir uns Leute zu Freunden, von denen wir nicht einmal wissen, wer sie sind (bei der Gelegenheit: Liebe Freundin Anna Reuter, können Sie mir verraten, woher wir einander eigentlich kennen?). Mit Facebook können wir den Like-Daumen gottgleich ausfahren wie die römischen Cäsaren nach der Performance ihrer Gladiatoren. Mit Facebook können wir den politisch korrekten Volltrotteln eins auswischen, indem wir eine Politikerin ungestraft als "verlogene Sau mit Botoxgosche" apostrophieren.

Mit Facebook können wir frischen Kräften wie Donald Trump oder der FPÖ mit Falschmeldungen unter die Arme greifen, ohne uns mit einem penetranten Presserat herumschlagen zu müssen. Und gibt es (Facebook-Argumentation) eine schönere Aktion gegen Gewalt als ein Video, in dem man einer 15-Jährigen zigmal ins Gesicht drischt? Vor allem aber schützt uns Facebook vor einem: dem bestialischen Anblick des nackten Nippels, des diabolischen, schamlosen, unbedeckten Nippels! Alles Fortschritte, für die man Facebook kaum dankbar genug sein kann. (Christoph Winder, 20.11.2016)