Emailletöpfe aus dem Mostviertel: Die Hälfte der Produktion geht in den Export. Seit 2001 gehört Riess auch die Marke Kelomat.

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Wien – Friedrich Riess hält nichts von Beratern: Hätte seine Familie auf sie und den Trend der Zeit gehört, wäre ihr Betrieb schon längst den Bach runtergegangen. "Warum es uns heute noch gibt? Weil wir stets alles anders gemacht haben als alle anderen." Riess zählt zu den letzten Geschirrherstellern Europas. Allein in Österreich gab es einst fünf Fabriken, die größte war Austria Email. Sie gaben angesichts scharfer Konkurrenz aus Fernost ebenso auf wie Dutzende internationale Mitbewerber.

Riess erinnert sich noch gut an die Sachverständigen, die seinem Unternehmen ein neues Korsett überstülpen wollten. Vollautomatisierung und Abbau von Jobs seien in den 70er-Jahren ebenso angesagt gewesen wie kleine Sortimente und hohe Losgrößen. "Alles hieß nur noch: billig, billig, billig. Ich konnte das Wort ABC-Analyse schon nicht mehr hören."

"Waren Tausendfüßler"

Riess' gleichnamiger Betrieb, der in der Mitte des 16. Jahrhunderts wurzelt und seit neun Generationen in Familienhand ist, ließ sich nicht dazu überreden, in die Emirate abzuwandern, und fing im Gegenzug alles auf, was andere so rausschmissen – von der Milchkanne bis hin zum Nachttopf. "Wir waren wie ein Tausendfüßler."

Als es eng wurde, zog dieser den Kopf ein, sah von Wachstum ab und stand Krisen auch ohne gesunde Erträge durch. "Der Verzicht fiel uns nie schwer, da es nichts zum Verzichten gab." Man brauche etwa Dienstautos ebenso wenig wie ein eigenes Sekretariat, alle Hierarchien seien flach.

Mehr Mitarbeiter

Seit 2008 hat Riess den Umsatz auf 16 Millionen Euro verdoppelt. Die Zahl der Mitarbeiter stieg um ein Drittel auf 120 Beschäftigte, in seiner Bilanz stehen stete Gewinne. Lustig sei es dennoch nicht, allein übrigzubleiben, resümiert er. Lieferanten gingen verloren, weil sich für sie die Mengen, die einzelne Abnehmer benötigen, nicht rentierten. Und jeder Trend müsse im Alleingang lanciert werden.

Riess fertigt in Ybbsitz im Mostviertel Geschirr aus Emaille. Glas und Eisen werden dafür miteinander verschmolzen. Erstmals zum Einsatz kam das Material abseits der Kunst Ende des 19. Jahrhunderts in Töpfen. Mittlerweile findet es auch in der Architektur und der Technik breite Anwendung. Emaille nur mit rosa Oma-Häferln in Verbindung zu bringen tue ihm also unrecht, ist Riess überzeugt, der daraus auch Schilder und Fassaden produziert.

Zwei Marken aus einem Topf

2001 kaufte seine Familie nach drei Jahren Bedenkzeit die Marke Kelomat. Das Trauner Unternehmen hatte einst den Dampfkochtopf erfunden. Kelomat vereint seither sämtliche Edelstahlprodukte der Niederösterreicher. Anders als für ihre Emaillekochgeräte, die ausschließlich in Österreich gefertigt werden, bedienen sich die Niederösterreicher für Kelomat weltweiter Partner. Produziert wird etwa in der Schweiz, in Holland, Tschechien, der Türkei, Israel und China, einem Land, an dem kaum einer der Branche mehr vorbeikommt.

600 verschiedene Artikel zählt Riess in Summe. "Jede Bank trifft der Schlag angesichts unseres großen Lagers." Riess liefere in Europa jedoch immer noch stückweise aus. Die Hälfte aller Emailletöpfe, die für die Hälfte des Geschäfts sorgen, geht in den Export.

Bürokratieflut

Riess, der den Betrieb mit seiner Cousine und seinem Cousin führt, nennt gute und loyale Mitarbeiter als dessen wichtigste Säule. Mit so manchen behördlichen Vorgaben steht er aber auf Kriegsfuß: Für jeden Klacks brauche es einen eigenen Beauftragten. "Was da an Vorschriften daherkommt, das hat mit wirtschaftlicher Arbeit ja nichts mehr zu tun." Ginge es nach ihm, gehörten für jedes neue Gesetz zumindest vier alte gestrichen. "Sie müssten nach einer bestimmten Laufzeit evaluiert werden."

Riess vergleicht seinen Betrieb mit einem alten, behäbigen Kloster. "Wir haben vielleicht kurzfristig nicht alle Chancen genutzt, dafür viele Fehler nicht gemacht, die anderen unterlaufen sind." Vor allem aber habe sich seine Familie nie in Abhängigkeiten begeben.

Wie es gelang, mehrere Generationen über Jahrhunderte hinweg für eine Sache zu vereinen? Jeder, der meine, dies sei einfach, irre, vor allem ein Generationswechsel verlaufe selten friktionsfrei. "Wir brauchen keine Muppets, die von oben aus runterkeppeln." Sei einer am Betrieb interessiert, solle er mitarbeiten. "Ein Unternehmen ist jedenfalls keine Kuh, die man melken kann, bis sie umfällt." (Verena Kainrath, 21.11.2016)