Die neuen Kreditvergaberegeln behindern den Wohnungsbau.

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Wien/Berlin – Mit der Mortgage Credit Directive (MCD), die 2016 in allen EU-Staaten umgesetzt werden musste, sollte ein einheitlicher Markt für mit Hypotheken besicherte Kredite geschaffen und die Verbraucher geschützt werden. Der mit ihr verbundene Mehraufwand für Banken wird aber wohl dazu führen, dass weniger Kredite vergeben und – etwa in Wien – weniger Wohnungen errichtet werden.

Ein großes Problem stellt die jetzt noch aufwendigere Kreditwürdigkeitsprüfung dar, die in Österreich besonders streng geregelt ist. Hier hat ein dramatischer Paradigmenwechsel stattgefunden: Bisher war davon auszugehen, dass es dem Kreditnehmer verboten ist, einen Kredit aufzunehmen, wenn dessen Rückführung nicht wahrscheinlich ist; jetzt ist es der Bank verboten, einen Kredit zu vergeben, wenn sie nicht beweisen kann, dass der Kreditnehmer rückzahlen kann. Andernfalls kann dies – neben einer Verwaltungsstrafe von bis zu 10.000 Euro – dazu führen, dass der Kreditvertrag nichtig ist.

Dieser Ansatz ist verfehlt, weil der "vertragslose Zustand", der dann eintritt, unkalkulierbare Folgen haben kann – z. B. eine sofortige Rückzahlung, Schadenersatz oder Anfechtungsklagen. Die Abwicklung von Immobilientransaktionen wird ungewiss, wenn der Käufer keine gesicherte Finanzierung mehr hat. Diese Unsicherheit macht die Kreditvergabe neben dem bereits niedrigen Zinsniveau für Banken noch unattraktiver.

Spielraum für Besonderheiten

Wichtig wäre, dass Banken weiterhin ein Spielraum für das individuelle Risikomanagement bleibt und regionale Besonderheiten berücksichtigt werden können. Das ist aber nicht der Fall: In Zukunft dürfen Immobilienwerte, die etwa in Österreich sehr stabil sind, bei der Kreditentscheidung nicht mehr maßgeblich angesetzt werden; der Fokus muss vor allem auf das Einkommen des Verbrauchers gelegt werden. Dabei bleiben aber die in manchen Ländern und Branchen häufigen befristeten Arbeitsverträge unberücksichtigt. Auch eine Unterstützung durch die Familie darf nicht mehr in die Bewertung einfließen.

In Deutschland wird bereits darüber diskutiert, die gerade erst beschlossene Umsetzung der Richtlinie zu ändern; das wäre auch in Österreich wünschenswert. So sollte man gesetzlich klarstellen, dass es bei einer Bonitätsprüfung keine Nichtigkeit eines Kreditvertrags geben kann. Viel mehr sollten die Rechtsfolgen klar im Gesetz festgelegt werden.

Durch das strengere und aufwendigere Kreditvergabesystem könnte es für Verbraucher schwieriger und in Summe teurer werden, Kredite zu bekommen; das betrifft vor allem junge Menschen, die nicht zu den Topverdienern gehören. Der österreichische Gesetzgeber ist gefordert, den bestehenden Rahmen der Richtlinie für Österreich sinnvoll zu nützen. (Thomas Seeber, 21.11.2016)