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foto: ap / eugene hoshiko

Die Roboter kommen und krempeln auch in Medizin und Forschung allerhand um. Grund zur Sorge sei das für die Branche aber nicht, sagt Janine Seitz vom Zukunftsinstitut: "Denkt man an die Pflegerobotik, ist das zum Beispiel eher ein Grund zur Freude." Das Pflegepersonal könne sich wieder voll auf die Pflege von und die Kommunikation mit den Patienten konzentrieren, während die Roboter unterstützende Tätigkeiten ausführen, zum Beispiel Medikamente bereitstellen oder Patienten transportieren. Das passiert bereits: Im Wiener Haus der Barmherzigkeit treffen die älteren Bewohner auf Roboter Henry. Auf dem Bildschirm gibt der 1,75 Meter große, armlose Geselle über sich selbst Auskunft oder darüber, was auf dem Speiseplan steht und wie das Wetter wird. Henry kann Besucher durch Gänge lotsen und führt jede Woche die Nordic-Walking-Gruppe an. Dabei motiviert er mit Musik und spielt alte Wanderlieder. Die Bewohner machen gerne mit.

Gesundheitsfreundliche, digitale Welt

In anderen Bereichen sind die Veränderungen durch Digitalisierung und Automatisierung nicht so gut zu erkennen wie bei Henry. Die Verschmelzung von Mensch und digitaler Technologie ist mittlerweile weit fortgeschritten – das ist die zentrale Botschaft der neuesten Studie des Zukunftsinstituts zu Trends im Gesundheitsbereich. "Sowohl psychisch als auch physisch hat die Digitalisierung Einfluss auf unsere Gesundheit", sagt Seitz. Die Aufmerksamkeit müsse deswegen darauf gerichtet werden, wie die digitale Welt gesundheitsfreundlich ausgerichtet werden kann, ohne dass sich der Mensch in seinem Verhalten anpassen muss. Ein Beispiel hierfür ist die verschlechterte Augengesundheit: Trockene, überanstrengte Augen, verschwommene Sicht oder Kopfschmerzen sind die gesundheitsschädigenden Nebenwirkungen von langen Bildschirmzeiten. Auch bei Virtual oder Augmented Reality erkennt das Zukunftsinstitut Verbesserungsbedarf, weil es oft zu Augenschmerzen, Übelkeit oder Kopfschmerzen komme. Die Technik muss dem Menschen dienen, und nicht umgekehrt, sagt Seitz.

Ganz allgemein habe sich das Verständnis für Gesundheit und die Definition davon, wer und was dafür verantwortlich ist, weiterentwickelt. "Der neue Blick auf die Gesundheit des Menschen ist ganzheitlich, denn die Umwelt und die Frage, ob diese gesundheitsfördernd ist, spielen eine große Rolle", sagt Seitz. "Es geht nicht mehr um die Abwesenheit von Krankheit, sondern um die aktive Gestaltung dieser."

Daten sind die neue Währung

Eine große Rolle für diesen Shift spiele auch die Relevanz von Daten, die auf verschiedenste Weise generiert werden: von Gesundheits- und Fitness-Apps (143.000 weltweit) über personengebundene Daten zur Diagnose bis zu selbstlernenden Technologien wie Watson von IBM. Im Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York wird der Supercomputer bereits eingesetzt. Die Software wird mit über 100 Millionen Sätzen über Symptome, Krankheitsgeschichten und mit ärztlichen Bemerkungen aus Unterlagen von 200.000 Patienten gefüttert. Daraus entwickelt Watson 10.000 Cluster und vergleicht diese dann mit individuellen Symptomen eines Patienten. So entsteht die Behandlungsmethode. IBM hat Milliarden in den 2015 gegründeten Geschäftsbereich Watson Health gesteckt, der sich an Ärzte, medizinische Forscher, Versicherer sowie Unternehmen aus dem Gesundheitssektor richtet.

Wo neue Arbeitsbereiche entstehen

Als "next big thing" gelten Genanalysen, um Risiken für bestimmte Erkrankungen einzuschätzen. Solche Untersuchungen sind mittlerweile erschwinglich, mehr als 1000 Unternehmen sind bereits am Markt, 2500 Anlagen zur Hochgeschwindigkeitssequenzierung existieren weltweit. Auch hier entstehen enorme Datenmengen: Drei Milliarden Datenpaare werden jeweils sequenziert. Um diese zu verwerten, wird es weitere Entwicklungen im Machine-Learning und bei der künstlichen Intelligenz benötigen – laut den Forschern handle es sich um eine der größten computertechnischen Herausforderungen aller Zeiten.

Für Seitz bedeutet dieser Trend auch die Möglichkeit vieler neuer Jobs. Auf der einen Seite gebe es nämlich die große Menge an gewonnenen Infos, auf der anderen Seite fehlen aber oft die Bewertung und die Einschätzung. "Die Beratungsfunktion in der Medizin nimmt generell zu." Schließlich würden Genanalysen auch heikle Fragen aufwerfen. Sichtbar wurde das unlängst, als Angelina Jolie sich nach einem solchen Gentest Brüste, Eierstöcke und Eileiter entfernen ließ. (lhag, 21.11.2016)