Hollandes Blick geht nach oben, seine Umfragewerte aber nach unten.

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Das Problem beginnt schon beim Namen: Ein g’standener "socialiste" würde sich lieber die Zunge abbeißen, als sich "social-démocrate" zu nennen oder gar den Parti socialiste (PS) umtaufen zu wollen. "La gauche" (die Linke) ist im Land der großen Revolution von 1789 als Begriff noch immer positiver besetzt als "la droite" (die Rechte) – und ein stolzer "Linker" ist zumindest Sozialist, wenn nicht sogar Kommunist. Natürlich verweigert auch der Parti communiste eine Modernisierung des Namens.

So war es auch klar, dass der sozialistische Kandidat François Hollande im Präsidentschaftswahlkampf 2012 die Hochfinanz als "Feind" bezeichnete. Mit Verve forderte er eine 75-Prozent-Steuer für die bösen Millionäre. Doch einmal gewählt, verwässerte der neue Präsident diese Steuer zur Bedeutungslosigkeit und schlug einen unternehmensfreundlichen Kurs ein. Kernpunkt seiner Reformen war die Liberalisierung des Ar beitsrechts, um die Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen und Jobs zu schaffen.

Anspruch und Wirklichkeit

Sozialistischer Anspruch und sozialliberale Wirklichkeit klaffen im PS weiter auseinander denn je. Deshalb sind die Linkswähler so erzürnt über den angeblichen Rechtsabweichler im Élysée-Palast. Er hat zwar noch ein paar Getreue, kämpft aber mit einem immer stärkeren Linksflügel.

Diese "frondeurs" werden bei den Präsidentschaftswahlen 2017 eher einen Vertreter der Linkspartei (Parti de gauche) oder der Kommunisten wählen als den "Sozialverräter im Élysée-Palast", wie sie sagen.

Dass sich die Sozialisten bisher nicht gespalten haben, liegt vor allem daran, dass frustrierte Jung- und Altsozialisten zu aufstrebenden Formationen wie KP oder dem Parti de gauche überlaufen. Ein Gegenrezept haben weder Hollande noch PS-Chef Jean-Christophe Cambadélis: Würden sie noch sozialliberaler werden, würden ihnen noch mehr Wähler davonlaufen; würden sie Kurs nach links nehmen, würden sie die EU-In stanzen und die deutsche Regierung gegen sich aufbringen.

Unfähig, den Widerspruch zwischen Rhetorik und Realität aufzulösen, laviert Hollande zwischen den Fronten, so gut es geht. Und in Anbetracht der Wahlpro gnosen wird dies alles andere als gut enden. (Stefan Brändle aus Paris, 17.11.2016)