Sebastian Wunderer (Mitte) gibt als Skip die Taktik vor, Philipp Nothegger (links) und Martin Reichel müssen viel Wischarbeit leisten.

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So geht Curling.

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Glasgow/Wien – Wo Menschen Baumstämme werfen, eigenartiges Englisch sprechen und Dudelsäcke spielen, mutet Curling eigentlich ganz normal an. Schottland ist Mutterland dieser Sportart. Da passt es perfekt, dass ab Samstag die Curling-Europameisterschaft in Glasgow stattfindet. Selbstverständlich sind Schotten und Schottinnen auch Meister im Steineschieben und Eiswischen.

Österreich ist keine berühmte Curling-Nation. Aber Österreich hat sich gemausert. Erstmals seit 2002 spielt wieder ein Herren-Team bei einer A-EM. "Der Aufstieg war ein riesengroßer Erfolg", sagt Marcus Schmitt, Präsident des Curlingverbands (ÖCV). "Der Klassenerhalt", sagt er, "wäre ebenfalls ein riesengroßer Erfolg." Dafür müsste Österreich unter zehn Nationen mindestens Platz acht belegen. Schmitt: "Keine g’mahte Wiesn, aber möglich."

Der 23-jährige Sebastian Wunderer ist der Skip (Kapitän). Seine Kitzbüheler Kollegen Mathias Genner (21), Martin Reichel (22) und Philipp Nothegger (22) komplettieren das Team. "Sie sind körperlich top in Form", sagt Schmitt. Das ist vor allem für das Wischen relevant. Falls nötig kann damit der Lauf des Steins verlängert und die Richtung korrigiert werden. Das Quartett curlt bereits seit rund zehn Jahren.

Kitzbühel hat die einzige Curlinghalle

Kitzbühel ist in Sachen Curling quasi das Schottland Österreichs. Hier findet sich die landesweit einzige Curlinghalle. Gecurlt wird zwar auch andernorts, allerdings nur auf "normalem" Eis, das oft nicht, wie für Curling nötig, brettleben ist. "Das ist, wie auf einem schiefen Billardtisch zu spielen", sagt Schmitt.

Die Infrastruktur sei das größte Problem. Pläne für Curlingbahnen in Traun und Wien sind gescheitert. Immerhin, in Sachen Nachwuchs tut sich etwas, vor allem dank Boris Seidl. Der Sportlehrer hat Curling als Wahlfach am Gymnasium in St. Johann in Tirol eingeführt. Zwischen 200 und 300 aktive Curler und Curlerinnen gibt es in Österreich. Tendenz leicht steigend. Aber von einem Boom kann noch nicht gesprochen werden.

Ziel: Olympia-Teilnahme

Einen Curlingboom wird wohl auch Österreichs Team bei der EM nicht auslösen. Eine Olympiateilnahme freilich würde bedeutend mehr Aufmerksamkeit bringen. Curling ist die einzige Wintersportart, in der Österreich noch nie olympisch vertreten war. Wunderer und Co haben zumindest eine Chance. Mit Platz sieben bei der EM wäre ein kleiner Schritt Richtung Pyeongchang 2018 getan. Dieser würde nicht nur das Ticket für die WM im April in Edmonton (Kanada), sondern auch für das Olympia-Qualifikationsturnier 2017 bedeuten. Schmitt: "Ein hochgestecktes Ziel."

Eine bessere Chance auf ein Ticket für Korea hat Österreich im Mixed-Bewerb, der 2018 erstmals olympisch ist. 2012 belegte Sebastian Wunderer gemeinsam mit Karina Toth bereits den vierten EM-Platz.

Aber vorerst ist die EM, vorerst ist Schottland. Gegen Italien, Dänemark und Deutschland habe Österreich gute Chancen, sagt Schmitt. Im deutschen Team spielt übrigens der routinierte Andreas Kapp. Dessen Bruder Uli, selbst dreifacher Europameister, ist seit 2012 Österreichs Bundestrainer. Schmitt sagt, er habe großen Anteil am Aufschwung des österreichischen Curlingteams. "Er ist unheimlich engagiert." (Birgit Riezinger, 18.11.2016)