Seitenhiebe auf den Nachfolger, Lob für die Europäische Union: Sie ist eine der "größten Errungenschaften in der Geschichte der Menschen", sagte Barack Obama in Athen.

Foto: AFP PHOTO / Brendan Smialowski

Bild nicht mehr verfügbar.

Vor der Rede ein wenig Kultur für Barack Obama, der sich von einer Archäologin über die Kulturschätze Athens aufklären ließ.

Foto: REUTERS/Kevin Lamarque

In der Nacht kam es in Athen zu Ausschreitungen und Protesten gegen den Besuch Obamas.

Foto: AFP PHOTO / LOUISA GOULIAMAKI

Er geht lässig von der Bühne, wie immer mit seinen schlenkernden Armen im grauen Maßanzug. Barack Obama hat sich auf Griechisch verabschiedet, mit ein paar Schritten ist er im Schatten, während die Gäste in diesem neuen Opernhaus in Athen stehend applaudieren. Er hat alles gesagt. Acht Jahre Präsidentschaft, sein Glaube an die Demokratie, seine Warnung vor den Populisten und den egoistischen Eliten. "Philotimo", rief Obama am Ende nochmals in den Saal. "Ich glaube weiterhin, dass es noch mehr von dem gibt, was die Griechen 'philotimo' nennen – Liebe und Achtung und Zuneigung gegenüber der Familie, der Gemeinschaft, dem Land."

In zwei Monaten ist er aus dem Weißen Haus. Für seinen Abschied von Europa hat sich der scheidende Präsident nur zwei Stationen ausgesucht: Griechenland und Deutschland. Am Mittwochmorgen erfüllt er sich einen Kindheitstraum, wie er sagt, und besichtigt die Akropolis. Dann kommt die Grundsatzrede im neu eröffneten riesigen Kulturzentrum der Reederfamilie Niarchos im Hafen von Piräus. Als Obamas "Vermächtnis" ist sie angekündigt worden. Am Geburtsort der Demokratie wollte er sie halten. Das war ihm wichtig.

The White House

Einiges von seiner Botschaft, die er loswerden will, war schon am Vortag beim gemeinsamen Auftritt mit dem griechischen Premier Alexis Tsipras zu hören. Nun ist es ausgefeilter: Es geht um die Verteidigung der Demokratie oder vielmehr um ihre Bürger, die zurückgewonnen werden müssen.

Die wachsende Ungleichheit zwischen den Ländern wie innerhalb eines Landes hat ein "tief empfundenes Gefühl der Ungerechtigkeit" unter den Menschen entstehen lassen, sagt Obama. Für die Demokratien auf der Welt ist dies zu einer ernsthaften Herausforderung geworden. Obamas Forderung: "Der gegenwärtige Kurs der Globalisierung braucht eine Korrektur."

Der Widerspruch der modernen Globalisierung, so erklärt der Präsident, sei, dass dieselbe Kraft, die Gesellschaften zueinandergebracht habe, gleichzeitig zu "enormen Brüchen" im Leben der Menschen führte. Arbeitsplätze wanderten plötzlich ab, Löhne sinken unter dem Druck des internationalen Wettbewerbs, Kollektivverträge verlieren ihr Gewicht.

Obama hat den 8. November im Blick, so wird schnell deutlich, die Rache der weißen amerikanischen Arbeiter, die am Wahltag Donald Trump ins Weiße Haus gebracht haben, nicht Hillary Clinton, die Vertreterin des Washingtoner Establishments. Nun empfiehlt er eine Wirtschaftspolitik, die "inklusiv" ist, Rücksicht nimmt auf die Interessen der Arbeitenden. Ebendies habe er acht Jahre lang versucht. Obama nennt sein Konjunkturprogramm und die Ausweitung der Krankenversicherung. Es ist gewissermaßen auch ein sozialdemokratisches Vermächtnis. Wieder lobt er ausdrücklich Alexis Tsipras für die Reformen, die der linke griechische Premier unternommen habe, aber auch die Europäische Union: Sie bleibe "eine der größten Errungenschaften in der Geschichte der Menschen".

Instabile Region

Obama flog im Anschluss an die Rede nach Berlin weiter, wo er am Abend eintraf. Das Treffen in privater Atmosphäre im Hotel Adlon, wo Obama mit seiner Delegation für den bis Freitag dauernden Berlin-Besuch abgestiegen war, ging am Mittwoch gegen 22.30 Uhr zu Ende. Über Inhalte der Unterredung, die nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur unter vier Augen stattfand, wurde zunächst wie erwartet nichts bekannt.

Nach Angaben der deutschen Bundesregierung wollte Merkel mit Obama über den Umgang mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, die Ukraine-Krise sowie den Kampf gegen den internationalen Terrorismus reden. Auch die Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen, die Zukunft des geplanten EU-Handelsabkommens TTIP mit den USA und die Klimapolitik werden Thema sein. Merkel und Obama wollen die Öffentlichkeit gegen 16.45 Uhr über die Ergebnisse ihrer Beratungen informieren. (Markus Bernath aus Athen, 17.11.2016)