Auch wenn der Rahmen historisch anmutete, das Thema der Podiumsdiskussion in der ehemaligen Wiener Stiftskaserne am Montag war eindeutig in der Jetztzeit verortet: Am 1. Jänner 2017 übernimmt Österreich den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) – und mit diesem auch alle Problemfelder, die sich rund um die Sicherheitspolitik des Kontinents in den vergangenen Jahren aufgetan haben. Ein halbes Dutzend Diskutanten versuchte sich deshalb in den im 17. Jahrhundert erbauten Gemäuern, die heute die Landesverteidigungsakademie beherbergen, in der Beantwortung einer zentralen Frage: Wie schafft man Frieden in Zeiten des Krieges?

Nach Trumps Sieg herrscht eine große Unsicherheit

Der Vorsitzende des International Institute for Peace (IIP), Hannes Swoboda, sprach die aktuellen Friedens- und Sicherheitssituation durch die jüngsten Ereignisse an: "Nach Trumps Sieg werden wir uns großen Herausforderungen stellen müssen. Wir wissen nicht einmal, ob er seine Wahlversprechungen einhalten wird", sagte der ehemalige SPÖ-Europaabgeordnete. "Es herrscht eine große Unsicherheit. Unser Ziel ist, den Kreis, in dem wir von einer in die nächste Krise gehen, zu unterbrechen."

"Schwerste Sicherheitskrise der letzten Jahrzehnte"

Christian Strohal, Sonderberater des österreichischen OSZE-Vorsitzes, betonte, dass eine derartige Sitzung über die Zukunft von Frieden und Sicherheit vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen sei. "Wir gingen davon aus, die OSZE bald als eine 'mission accomplished' abhaken zu können. Dann kam der Georgien-Russland-Krieg 2008. Nach der Krim-Annexion 2014 war es schließlich klar, dass die Sicherheit und die Vorhersehbarkeit – zwei wichtige Elemente, welche die OSZE zu stärken versucht – verlorengingen. Derzeit herrscht die schwerste Sicherheitskrise der letzten Jahrzehnte."

Nach der US-Wahl sei die Bedrohung noch gestiegen, glaubt Strohal, etwa durch Terrorismus und Diskriminierung, aber auch durch ethnische Spannungen und die Migrationskrise. Das Grundvertrauen in politische Einrichtungen sei verlorengegangen. Und doch sieht Strohal auch einen kleinen Hoffnungsschimmer: "Die OSZE hat sich vor allem in der Ukraine-Krise als wirkungsvoll erwiesen. Das Konfliktmanagement und die Beobachtermission funktionieren ausgezeichnet. Innerhalb von 24 Stunden nach dem Krisenausbruch hatte die OSZE etwa 1.000 Menschen in die Region geschickt."

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Ein OSZE-Beobachter überwacht militärische Aktivitäten in der selbsternannten Volksrepublik Luhansk in der Ostukraine 2015. "Die OSZE hat sich vor allem in der Ukraine-Krise als wirkungsvoll erwiesen", sagt Christian Strohal, Österreichs Sonderberater des OSZE-Vorsitzes.
Foto: Alexander Ermochenko/Reuters

Der Brigadier Gustav Gustenau vom Verteidigungsministerium betonte die Wichtigkeit eines besseren zwischenstaatlichen Diskussionsforums. Dafür müssten auch die Kommunikationskanäle zu den USA und Russland wieder aufgenommen und verbessert werden, meinte er. In einer sehr impulsiven Rede stimmte Sergej Markedonow Gustenau zu. Der russische Historiker der Universität für Geisteswissenschaften in Moskau meinte, Russland sollte in Europa nicht mehr so einseitig gesehen werden. "Die europäischen Medien sind voller gekünstelter Ideen über Putin. Russland sollte auch nicht als das einzige verantwortliche Land in den Konflikten mit den sowjetischen Nachfolgestaaten dargestellt werden", sagte der Experte für die russische Außenpolitik. "Europa sollte Russland als Teil seiner 'Architektur' begrüßen."

"OSZE ist nicht da, um Probleme der einzelnen Mitglieder zu lösen"

Für einen sanfteren Umstieg auf eine andere außenpolitische Frage sorgte der chinesische Botschafter in Österreich. Xiaohui Du bezeichnete seine Einladung zur Diskussion als Schritt vorwärts in der Zusammenarbeit zwischen China und der EU. Jedoch sehe er noch Ressentiments in den europäischen Medien, die sich gegen China richten, sobald es beispielsweise um eine größere Investition gehe. "Wir brauchen eine neue Vision der Sicherheit; eine Zusammenarbeit nach außen und einen Dialog für Frieden", sagte er.

Florian Raunig, Leiter der Task Force für den österreichischen OSZE-Vorsitz, sagte im Anschluss: "Im Gegenteil zur Nato ist die OSZE eine Organisation von 'non-like-minded states', also nicht gleichgesinnten Staaten, und eine, die noch keines ihrer Mitglieder verloren hat." Raunig beleuchtete nochmals die Essenz der Organisation und des künftigen Vorsitzes in Wien. Dieser sei nicht da, um Probleme zu lösen, sondern um eine gute Plattform zu schaffen, über die alle 57 Mitgliedstaaten ihre Probleme leichter lösen könnten: "Allem voran aber sollte ein guter Vorsitz zwischen Ambition und Realismus liegen." (Anja Malenšek, 15.11.2016)