Im Jahr 2040 fließt der Verkehr abgasfrei und geräuscharm durch die Stadt. Die Autos der großen Carsharing-Flotten dominieren die Szene. Die kompakten, fahrerlosen Fahrzeuge, sogenannte Pods, werden per Smartphone angefordert, holen die Passagiere selbstständig ab und bringen sie an ihren Wunschort. Das Leben in den Vorstädten und auf dem Land ist bequemer geworden, denn selbst längere Fahrten sind keine verlorene Zeit mehr. Man kann Arbeit erledigen oder sich entspannen.

Die Hoffnungen, dass effizientere Verkehrsführung und das Carsharing-Prinzip die Straßen entlasten, erfüllen sich aber nicht. Im Gegenteil: Das Verkehrsaufkommen steigt bis zur Belastungsgrenze an. Die öffentliche Hand reguliert nun mit einer Straßensteuer das Aufkommen von Individual- und Kollektivverkehr. Pods haben auch einen Teil des öffentlichen Verkehrs abgelöst.

Kurze Dokumentation über selbstfahrende Autos.
The Daily Conversation

Nur wenige haben noch ein eigenes Fahrzeug. Die Storageanlagen – früher hieß das Parken – sind teuer, und der Besitz eines Privatautos hat nun einen etwas asozialen Beigeschmack. Der Großteil der früheren Parkraumflächen ist begrünt, bebaut und wird auf neue Weise genutzt.

Weniger Autos

So sieht ein Zukunftsszenario aus, das der Bremer Verkehrsplaner Michael Glotz-Richter für seine Stadt entworfen hat. Aus heutiger Sicht klingt es paradox, wenn er auf der einen Seite sagt, dass es in Zukunft "keinen Sinn machen werde, Autos besitzen zu wollen", und auf der anderen Seite aber einen "enormen Zuwachs an Verkehrsmenge" prognostiziert.

Doch für ihn ist es ganz klar: "Wir brauchen zwar weniger Autos, doch die verbleibenden Fahrzeuge sind in permanenter Bewegung." Zu den bisherigen Autofahrern werden neue Gruppen kommen: Jugendliche, Ältere, Menschen mit Handicaps. "Manche Modelle gehen von einem Verkehrszuwachs von 80 Prozent aus", so Glotz-Richter. Denn: "Es wird deutlich bequemer als alles, was wir heute haben."

Doch bis es so weit ist, sind noch eine Reihe von Hürden zu nehmen. Gesetze, Geschäftsmodelle und der Umgang der Gesellschaft mit der Technik müssen zusammenspielen, um die neue Mobilität tatsächlich auf die Straßen zu bringen. Und auch auf der technologischen Seite ist, anders als immer wieder auftauchende Erfolgsmeldungen über Autos von Tesla oder Google suggerieren, längst nicht alles geklärt.

"Gewaltiges Stück des Weges"

Auch Jost Bernasch, Geschäftsführer des Forschungsinstituts Virtual Vehicle in Graz, ist vorsichtig mit allzu optimistischen Prognosen: "Für eine robuste und zuverlässige Sensorik, die in jeder Wettersituation funktioniert, ist noch ein gewaltiges Stück des Weges zu gehen", sagt er. Es fehlt sowohl an leistbarer Rechenleistung als auch an der Entwicklung geeigneter dynamischer Umgebungsmodelle, die die Umwelt in ihrem Kontext verstehen. Der tödliche Unfall, bei dem der Autopilot eines Tesla-Wagens einen weißen Anhänger vor dem hellen Himmel nicht erkannte, unterstreicht dies.

Auch Googles autonomes Auto wird wohl nicht so bald in großen Mengen beim Endverbraucher ankommen, wenngleich es in einigen US-Bundesstaaten wie Kalifornien für den Straßenverkehr zugelassen ist. "Man sieht schon am Lasersensor, dass das Fahrzeug nur ein Konzept ist. Für die Serienfertigung wäre das viel zu teuer." Helmut Leopold, Leiter des Digital Safety & Security Department am Austrian Institute of Technology (AIT), zeigt sich skeptisch.

Das Google Self Driving Car bei einem Technologieevent in Paris Mitte 2016: Schaut einem Straßenflitzer nicht wirklich ähnlich.
Foto: APA/AFP/Eric Piermont

Vollautonomes Fahren für viele Verkehrsteilnehmer in komplexen Stadtumgebungen sieht er "sicher nicht vor 2030". So sei für die Kommunikation zwischen Autos und Infrastruktur ein ausgereifter 5G-Mobilfunk-Standard nötig, der viele kleine Datenmengen jeweils schnell und sicher überträgt. Und wann der kommt, steht bekanntlich noch in den Sternen.

Autonome Hilfssysteme

Viel früher wird es dagegen autonom agierende Hilfssysteme für konkrete, abgegrenzte Anwendungsgebiete geben. In Leopolds Department am AIT forscht man etwa an Baumaschinen, Traktoren und Lkws, die mittels 3-D-Vision-Systemen bei Spezialaufgaben in unwegsamem Gelände helfen. Für die Entwicklung der vielen technischen Systeme, die für das autonome Fahren zusammenspielen müssen, bedarf es einer speziellen Testumgebung, die in Österreich im Rahmen der Modellregion Steiermark kommt. Eine Kraftfahrzeuggesetznovelle schafft die rechtlichen Grundlagen.

Autonom agierendes Fahrzeug auf der AVL-Teststrecke in Gratkorn nahe Graz
Foto: APA/ERWIN SCHERIAU

Ende 2016 sind Tests mit selbstfahrenden Autos angelaufen. Erprobt werden speziell ausgerüstete Fahrzeuge, die selbstständig lenken, bremsen und beschleunigen. Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) hat gemeinsam mit AVL-Chef Helmut List und Magna-Vorstand Gerd Brusius am hausinternen Testgelände der AVL List die Teststrecken vorgestellt. Jedes Fahrzeug wurde mit einer Unfalldatenbank ausgestattet. Ergebnisse liegen derzeit noch nicht vor. Das Bundesheer testet ebenfalls – und zwar einen selbstfahrenden Traktor.

Verkehrsminister Jörg Leichtfried – nicht am Steuer.
Foto: APA/ERWIN SCHERIAU

Wolfgang Vlasaty, der neue Leiter des Technologieclusters ACStyria, sagt: "Stadtstrecken werden nicht von Anfang an bei den Tests dabei sein. Sie sind schwieriger zu integrieren, weil sie entsprechende Vernetzungstechnik benötigen." Das Verkehrsministerium fördert das Projekt mit bis zu 20 Millionen Euro.

Die Stadtregierung von Boston sieht das anders. Sie will beweisen, dass "Driverless Car"-Tests auch in Städten möglich sind. Die größte Stadt von New England in den USA wurde vom World Economic Forum auserkoren, um die Zukunft von städtischen Transportsystemen zu erforschen.

Das Start-up nuTonomy in Cambridge ließ dazu verlauten, dass die Stadt aufgrund des komplexen Straßennetzes und wegen der als besonders schlecht verschrienen Autofahrer ein perfekter Probeparcours sei. nuTonomy testet seit August 2016 selbstfahrende Taxis in Singapur. Der umstrittene Fahrtendienst Uber machte das mit einer Flotte in Pittsburgh, in Arizona und San Francisco. Freilich mit einem Fahrer, der manchmal nur zuschaut, manchmal aber auch übernimmt, weil die Fähigkeit des Autos, unfallfrei zu navigieren, an Grenzen stößt.

Das Unternehmen selbst dürfte recht sensibel mit dem Problem umgehen: Ein Unfall in Tempe, Arizona, der zu keinem Personenschaden führte, war ausschlaggebend, die selbstfahrenden Autos vorerst aus dem Verkehr zu ziehen, schrieb die "New York Times" am vergangenen Wochenende. Wobei allerdings bis dato unklar ist, ob der Autopilot eingeschalten war.

Uber startete im vergangenen Jahr einen Fahrtendienst mit autonomen Fahrzeugen in Pittsburgh, USA.
Foto: AFP / Angelo Merendino

Ein Boot in Amsterdam

Aufhalten kann und will den Technologiewandel ja niemand mehr: Im Kanalsystem von Amsterdam fährt ein autonomes Boot, das vom Senseable City Lab am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und vom Amsterdam Institute for Advanced Metropolitan Solutions entwickelt wurde. Das Team um den Stadttechnologieforscher und Architekten Carlo Ratti hat dem kleinen Wasserfahrzeug für Güterverkehr noch einen zusätzlichen Nutzen gegeben: Das "Roboat", so der Projekttitel, prüft per Monitoring außerdem noch die Qualität des Wassers im Kanal und lässt so Einblicke in den Gesundheitszustand der Stadtbewohner zu.

Rattis selbstfahrendes Boot ist ein Beispiel für Entwicklungen im Bereich autonomes Fahren, die schnellen Nutzen versprechen. Sie dürften nötig sein, um die Technologien auch wirklich als serienreife Produkte auf die Straße zu bekommen. Als eine solche "low hanging fruit", wie es Barbara Lenz, Leiterin des Instituts für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), ausdrückt, wird der Güterverkehr gesehen.

Wenn es nur darum geht, acht Stunden lang die Spur zu halten, könnten autonome Systeme bald das Steuer übernehmen. "Bei langen Fahrten könnte man mehrere Lkws elektronisch koppeln, nur noch im vordersten sitzt ein Mensch. Man spart Treibstoff und Arbeitskosten", zeichnet Lenz ein mögliches Szenario.

Schuldfragen unklar

Die Weiterentwicklung des autonomen Fahrens benötigt auch einen passenden Gesetzesrahmen. Ein kürzlich verlautbarter deutscher Entwurf sieht vor, dass Fahrzeuge betrieben werden können, "die für eine bestimmte Zeit und in bestimmten Situationen" die Kontrolle übernehmen.

In Österreich wird das Vorpreschen aber auch kritisch wahrgenommen: Martin Russ, Geschäftsführer der Austriatech, die im Auftrag des Verkehrsministeriums an einem Aktionsplan hinsichtlich des automatisierten Fahrens arbeitet, sieht die Ankündigung "mehr als ein industriepolitisches Statement denn als verkehrspolitische Notwendigkeit". Schuldfragen bei Unfällen seien etwa noch unklar. Wünschenswert wäre ein vernetztes Vorgehen auf europäischer Ebene.

So hat Paul Verhoeven 1990 in "Total Recall" mit Arnold Schwarzenegger das Thema Roboterauto gesehen: nicht wirklich positiv.
TarexOrthver

Sind dann tatsächlich erste vollautonome Autos unterwegs, werden sie auf von Menschen gesteuerte treffen. "Autonome Fahrzeuge sind auf defensives Verhalten programmiert. Auf der Straße sind die humangesteuerten Autos immer die Sieger", skizziert Glotz-Richter ein Problem der Übergangsphase von alter zu neuer Technologie. Klare Vorstellungen, wie sich diese Probleme lösen lassen, gibt es kaum. Möglich wären etwa Zonen, Fahrbahnen oder Zeitabschnitte, die dem autonomen Verkehr vorbehalten sind.

Alltag erleichtern

Neben den technischen und verkehrsplanerischen Aspekten stellt sich die Frage, ob sich die Menschen selbst überhaupt vom Lenkrad trennen wollen. "Wir sehen in Befragungen, dass das Vertrauen in die neue Technologie im Moment noch sehr begrenzt ist", sagt Lenz. "Aber das ist ein evolutionärer Prozess."

Glotz-Richter verweist auf U-Bahnen und Flugzeuge, die sich längst selbst steuern und dennoch akzeptiert sind. Internetvordenker Nicholas Negroponte, einer der Gründer des Media Lab am MIT in Boston, geht mit seinen Vergleichen viel weiter als der Verkehrsplaner aus Bremen. Auch der Aufzug fahre selbst, man müsse nur einsteigen und auf einen Knopf drücken. Und das war tatsächlich nicht von Anfang an so, als man begonnen hatte, Lastenaufzüge zu bauen.

Negroponte rät insgesamt zur Gelassenheit bezüglich selbstfahrender Autos. Von Stadtplanern kommt die eindringliche Warnung, dass schon eine teilweise Umstellung des Individualverkehrs auf derartige Fahrzeuge zu einer weiteren Zersiedelung der Städte führen könnte. Denn dann könnte es heißen: "Wir setzen uns ins Auto und arbeiten schon unterwegs während der einstündigen Fahrt zum Büro."

Wer sich davor fürchtet, bedenkt nicht die Entwicklung der Stadtbevölkerung selbst, sagt Negroponte. Die Generation und Familien würden am Stadtrand wohnen wollen, auf der Flucht vor Hektik und Umweltbelastung im Zentrum. Man würde ihnen den Alltag mit den selbstfahrenden Autos nur erleichtern. Junge Stadtbewohner würden im Zentrum bleiben.

Einfluss auf Zugverkehr

Auf eine ganz andere Konsequenz von autonomen Fahrzeugen machte die Boston Consulting Group erst kürzlich aufmerksam. Sie fragte: "Will autonomous vehicles derail trains?" Wird die Entwicklung also, frei übersetzt, den Personenzugverkehr zum Entgleisen bringen? Die kurze Antwort: Ja. Außerhalb der Verkehrsstoßzeiten werde die neue Technologie viele Kunden abziehen, heißt es in dem Report.

Was bedeutet: Die Bahnnetzbetreiber werden außerhalb der Peaks wenig Züge einsetzen. Und das sollte Einfluss auf die Preisgestaltung im Zugverkehr haben. Soll heißen: Die Tickets werden dann mit Sicherheit teurer. Auch für Wohnungen in verkehrsreichen Stadtbezirken wird man tiefer in die Tasche greifen müssen. Die Vermieter haben dann aufgrund leiserer, selbstfahrender Ökoautos keinen Grund, die Wohnungen in diesen Grätzeln billiger zu vermieten als in den Grünlagen am Rande der City.

Geschätzte Mehrkosten

Bleibt noch die Frage offen, wie viel mehr denn ein autonom fahrendes Auto kosten wird. Ralf Herrtwich, Leiter Autonomes Fahren bei Daimler, schätzt laut der deutschen Tageszeitung "Die Welt": 2.000 bis 4.000 Euro, je nachdem, wie autonom das Auto sein soll. Er kündigt ein serienreifes Auto schon für 2020 an. Ob dann allzu viele Pkw-Besitzer umsteigen wollen, erscheint aus heutiger Sicht fraglich.

Noch herrscht Skepsis, ob der rollende Roboter sicher genug ist, obwohl Konzerne beteuern, dass er bereits weniger Fehler macht als der Mensch am Lenkrad. Natürlich mischt sich in die Skepsis auch ungläubiges Staunen, wie man bei der Präsentation eines selbstfahrenden Citybusses in Salzburg gezeigt hat.

Der selbstfahrende Salzburger City-Bus im Einsatz.
Foto: APA/BARBARA GINDL

Das als Stadtverkehrsergänzung für die letzten Meter zur Haustür gedachte Vehikel wird nun von Salzburg Research getestet – auf Tauglichkeit im Verkehr mit Menschen, die sich an ein solches Auto sicherlich erst gewöhnen müssen. (Alois Pumhösel, Peter Illetschko, 28.3.2017)