Wladimir Putin trinkt kaum Alkohol. Nur zu sehr speziellen Anlässen greift er zum Glas. Dieser Tage allerdings müssen trotz der Zurückhaltung des russischen Präsidenten die Krimsektkorken im Kreml knallen wie eine Kalaschnikow auf Dauerfeuer. Denn für Moskau könnte es derzeit nicht besser laufen.

In Bulgarien und der Republik Moldau haben russlandfreundliche Politiker Präsidentschaftswahlen gewonnen. Im Konflikt mit der Ukraine kann Putin nach Lust und Laune an der Eskalationsschraube drehen. In Syrien dominiert er die Agenda durch seine Militärintervention zugunsten Bashar al-Assads. Den US-Wahlkampf hat er mit gehackten E-Mail-Accounts der Demokraten maßgeblich beeinflusst. Dann der absolute Knaller: Donald Trump, der Mann, mit dem den Kremlchef eine "bromance", eine Art Romanze unter Brüdern im Geiste, verbinden soll, wie die US-Zeitungen schreiben, gewinnt die Präsidentschaftswahl tatsächlich.

Putin, so scheint es, gibt den Takt in dem Maße vor, in dem sich der Rückzugspräsident Barack Obama aus dem weltpolitischen Spiel nimmt: Wo dieser die überdehnte Macht der USA zurückfuhr, gingen für den Russen Spielräume auf. Allein: Obama führte fort, was sein Vorgänger George W. Bush angefangen hatte. Beide Präsidenten erkannten erst spät, dass der russische "Alpharüde" (O-Ton aus einer geleakten Depesche amerikanischer Diplomaten) eine militaristisch-revanchistische Agenda verfolgte, die durch gutes Zureden allein nicht zu stoppen ist. Heute sind die Beziehungen Russlands zu den USA und zum Westen tatsächlich so schlecht wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr.

Die Frage, wie Trump mit dieser Situation umgehen wird, ist vorerst schwer zu beantworten. Eine Trump-Doktrin gibt es (noch) nicht. Schulterklopfen und warme Worte jedenfalls werden nicht ausreichen. Putin wird den neuen Präsidenten schneller testen, als es diesem lieb ist: und zwar politisch, militärisch, wirtschaftlich – und vor allem ideologisch.

Die Weltanschauung ist dabei mit Abstand das wichtigste Feld. Und genau dort ist Trump am schwächsten. Denn wenn ihn etwas mit dem Ex-KGBler im Kreml eint, dann ist es eine Vorliebe für Autoritarismus und Illiberalismus, die absolut nichts mit westlichen Werten zu tun hat: Wer braucht schon Debatten, wenn "Demokratien" auch gelenkt werden können? Wer will Wettbewerb, wo Protektionismus und Staatsdirigismus zu haben sind? Trump hat es deshalb bis ins Weiße Haus geschafft, weil sich "der Westen" in Zeiten des Umbruchs seiner selbst nicht mehr sicher ist. Er ist der personifizierte Ausdruck der krisenhaften Verfassung von Demokratie, Pluralismus, Marktwirtschaft und internationaler Kooperation auf Basis des Völkerrechts.

Alle diese Standards müsste der neue "Führer der freien Welt" eloquent und mit langem Atem Putin gegenüber vertreten. Und er müsste fortsetzen, was Obama zuletzt getan hat: Nato-Bataillone an die Ostgrenze des Bündnisgebietes verlegen. Denn Putin mag derzeit einen Lauf haben, auf lange Sicht aber ist er schwach. Russland leidet unter Sanktionen, an der Wirtschaftslage und am Schrumpfen der Bevölkerung. Es ist tatsächlich auf dem Weg zur "Mittelmacht" (Obama). Ein selbstsicherer, in der Tat überlegener Westen muss es dabei begleiten, ohne in einen gewalttätigen Konflikt zu geraten. Dafür muss aber auch Trump erst einmal – politisch – ernüchtern. (Christoph Prantner, 15.11.2016)