Blick nach Nordosten über den Wohnbezirk und die Gräber (rechts unten).

Foto: Michaela Binder

Area C, die größere der beiden bronzezeitlichen Grabanlagen.

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Tanja Jachs beim Sortieren der menschlichen Skelettreste.

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Unser Grabungsquartier im nahe gelegenen Dorf.

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Das Team beim Keramik sortieren im Grabungshaus.

Foto: Michaela Binder

Blick Richtung Norden über die massiven Steinmauern auf dem Felsplateau.

Foto: Michaela Binder

Nach längerer Abwesenheit, die hauptsächlich mit relativ unspektakulärer Schreibarbeit und Administration neuer Projekte am Österreichischen Archäologischen Institut (ÖAI) – mehr dazu zu einem späteren Zeitpunkt – ausgefüllt war, bin ich nun (endlich) auch wieder im Feld, um am Fundplatz Qurayyah im Norden der Arabischen Halbinsel erste bioarchäologische Untersuchungen durchzuführen. Wir befinden uns in einer spektakulären Landschaft am Fuße des Hejaz-Gebirges, die durch Sandsteinplateaus, umgeben von Sanddünen, gekennzeichnet ist. Die Anfang November immer noch herrschenden 37 Grad lassen nicht vermuten, dass im Winter hier auch regelmäßig Schnee fällt.

Obwohl die noch heute gut erkennbaren Reste der antiken Siedlung Qurayyah bereits im 19. Jahrhundert von Reisenden erstmals erwähnt und später als eine der größten und wichtigsten Siedlungen in Nordwestarabien beschrieben wurden, befindet sich die systematische archäologische Erforschung der Region noch in den Anfängen. Erst 2014 konnte hier mit einem ersten Besuch ein österreichisch-saudisches Forschungsprojekt, durchgeführt in Zusammenarbeit zwischen der Universität Wien und der Saudi Commission for Tourism and National Heritage unter der Leitung von Marta Luciani vom Institut für Orientalistik, begonnen werden. Ausgrabungen wurden erstmals 2015 durchgeführt. Seit 2016 besteht nun auch eine Kooperation mit dem Österreichischen Archäologischen Institut der Akademie der Wissenschaften.

Gut erhaltenes Lehmziegel- und Steinmauerwerk

Das Areal der archäologischen Fundstelle erstreckt sich über mehrere hundert Hektar. Wie häufig in trockenen Wüstengebieten sind viele der Reste von Lehmziegel- und Steinmauerwerk trotz ihres Alters oft mehrere Meter hoch erhalten, daher lässt sich eine erste Charakterisierung der Siedlung, teils mithilfe von Oberflächenfunden, auch ohne Grabung oder geophysikalische Prospektion treffen. Mehrere Komponenten konnten so bisher identifiziert werden.

Im Zentrum der Siedlung finden sich ein 50 Meter hohes Felsplateau im Südwesten, ein von einer Mauer umgebener, zwölf Hektar großer Wohnbezirk im Nordosten sowie eine Reihe von Mauern und Gräben, die die beiden Teile verbinden. Darüber hinaus deuten Oberflächenfunde von Schlacke, Tonscherben und anderen Abfallprodukten auf eine Reihe von Produktionsstätten für Keramik hin. Umgeben ist die Siedlung von zahlreichen Feldern, die teilweise von Steinmauern begrenzt sind. Zwei Kilometer südlich der Siedlung deuten Steinsetzungen auf einem Plateau auf die Anwesenheit eines Tempels hin. Auf dem etwa 35 Hektar großen Plateau südwestlich des Siedlungsgebiets finden sich die Reste von doppelten Reihen monumentaler Steinmauern mit angeschlossenen Wachtürmen, mehrere Vertiefungen, die schließlich als Gräber genutzt wurden, sowie ein freistehender Turm.

Zwei große Grabkomplexe

Eine erste Analyse der Oberflächenfunde sowie der Funde aus den Grabungen 2015, mehrere Radiokarbondaten sowie Keramik aus mehreren Bereichen der Siedlung deutet auf eine Nutzung bereits ab dem 2. Jahrtausend v. Chr bis hinauf in die Mitte des 1. Jahrtausends n. Chr. hin. Hauptaugenmerk der derzeitigen Forschungen ist jedoch die frühe Nutzungsphase im 2. Jahrtausend, die hier ebenfalls als Bronzezeit bezeichnet wird. In diese Zeit datieren auch die beiden großen Grabkomplexe, mit deren bioarchäologischer Untersuchung meine Mitarbeiterin Tanja Jachs und ich hier beschäftigt sind.

Entsprechend architektonischen Mustern, wie sie an mindestens zwei weiteren Fundorten im nördlichen Arabien zu finden sind, handelt es sich um zwölf bis 13 Meter lange rechteckige Gebäude, deren Steinmauern in Qurayyah vermutlich bis zu zwei Meter hoch erhalten sind. Wie diese Strukturen genau für Bestattungen genutzt wurden, ist bisher jedoch nur schwer zu erschließen, da wir zumindest in den oberen Schichten bisher noch keine intakten Bestattungen vorfinden konnten.

Knochen mehrerer Skelette

In dicken Ablagerungen von vermutlich durch Beraubung gestörtem Material findet sich aber eine große Anzahl an menschlichen Knochen, die darauf schließen lassen, dass beide Gräber für mehrere Personen, darunter auch Kinder, benutzt wurden. Diese Knochen werden von uns nun sortiert und untersucht. Keine einfache Arbeit, denn sind die Knochen mehrerer Skelette einmal vermischt, lassen sie sich nur mehr sehr schwer einzelnen Individuen zuordnen. Dann können wir lediglich eine Mindestindividuenzahl bestimmen. Durch diagnostische Teile des Schädels und Beckens lassen sich darüber hinaus zumindest teilweise auch die Anzahl von Männern und Frauen sowie deren Sterbealter ermitteln.

In der ersten Woche vor Ort konnten wir die 2015 gefundenen Knochen aus dem größeren der beiden Grabkomplexe, dem sogenannten Areal C, untersuchen. Da die Grabungsarbeiten dort jedoch noch im Gange sind, repräsentieren diese erst einen Teil der dort durchgeführten Bestattungen. Insgesamt konnten wir bisher sieben Erwachsene, darunter vier Männer und zwei Frauen, identifizieren, von denen zumindest drei zum Zeitpunkt des Todes noch jünger als 30 waren. Auffallend sind die ausgesprochen schlechten Zähne und sehr starke Abnutzungserscheinungen an den Gelenken, aber auch eine Reihe von komplizierten, jedoch gut verheilten Knochenbrüchen.

Skelettreste und Beigaben

Einen zweiten Fokus unserer bioarchäologischen Arbeit stellen die Skelettreste aus einem großen Keramikbrennofen in nächster Nähe der Grabkomplexe da. Keramikfunde deuten auf eine Nutzung des Ofens am Anfang der Spätbronzezeit hin, danach wurde er jedoch aufgegeben und offenbar als Bestattungsplatz am Ende der Spätbronzezeit genutzt.

Besonders interessant ist die Tatsache, dass unsere ersten Untersuchungen zeigen konnten, dass bis auf einen Erwachsenen hier nur Kleinkinder, darunter auch Föten und Neugeborene, niedergelegt wurden. Leider waren die Skelette auch hier gestört und vermischt, daher ist es bisher schwierig festzustellen, inwieweit die Kinder dort wirklich bestattet, niedergelegt oder vielleicht nur entsorgt wurden. Die Anwesenheit von Teilen von Ketten aus kleinen Fayenceperlen deutet jedoch darauf hin, dass hier auch Beigaben mitgegeben wurden.

Pionierarbeit auf der Arabischen Halbinsel

Die Erforschung von archäologischen Stätten auf der Arabischen Halbinsel steckt nach wie vor in ihren Anfängen. Wir befinden uns beinahe auf einem weißen Fleck der Landkarte kulturhistorischer Entwicklung an der Schnittstelle zwischen Levante, Ägypten, Mesopotamien und Südarabien, und die Arbeit hier ist Pionierarbeit. Daher ergibt sich für das Projekt eine große Anzahl an wissenschaftlichen Fragestellungen zu Chronologie, Siedlungsgeschichte, Funktion, Handelskontakten sowie Wirtschaftsweise und naturräumlichen Gegebenheiten im Umkreis der Siedlung, die in den nächsten Jahren systematisch multidisziplinär untersucht werden sollen. (Michaela Binder, 17.11.2016)