Giacomo Puccini wurde es einst untersagt, Ferenc Molnárs Stück "Liliom" zu vertonen – für München tat es nun Johanna Doderer.

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Was Giacomo Puccini ausdrücklich untersagt wurde, nämlich aus Ferenc Molnárs 1908 uraufgeführtem Schauspiel über den Karussellausrufer Liliom eine Oper zu machen, ist nun Wirklichkeit geworden. Allerdings nicht als spätveristische Ausgrabung aus der vorletzten Jahrhundertwende, auch wenn es sich über weite Strecken so anhören mag, sondern als neues Auftragswerk der Komponistin Johanna Doderer für das Münchner Gärtnerplatztheater.

Die nachträgliche Umwandlung sozialkritischer Volksstücke in Musiktheater ist freilich nicht unproblematisch. Die Musik verdoppelt und vergröbert die in den Texten schon durchscheinende Musikalität des Schauspiels, ganz abgesehen davon, dass die eindeutigen kompositorischen Vorgaben die vielschichtige Aura der Volkstheaterfiguren vergröbern.

Davon ist auch die Liliom-Oper nicht ganz frei, doch Doderer hat glücklicherweise den Stimmen viel Platz eingeräumt – insbesondere Angelika Kirchschlager als Ringelspielbesitzerin Frau Muskat weiß ihn zu nutzen und beeindruckt auch durch Bühnenpräsenz: herrisch und resigniert zugleich, manchmal an die Marschallin aus Strauss' Rosenkavalier erinnernd.

Camille Schnoor als Lilioms Frau Julie wiederum unterstreicht und überhöht in hohen Sopranlagen ihre Emotionen, während Cornelia Zink dieses Frauenterzett als naive, resolute Freundin Marie ergänzt. Der brutale und doch sentimentale Strizzi Liliom (Daniel Prohaska) ist ein Tenor, der buhlt und bezirzt.

Als Oper ist das "Schlummermärchen", wie Ferenc Molnár Liliom nannte, ernstes, tragisches Welttheater, kommentiert vom Chor der reichen und armen Ringelspielbesucher und begleitet von stummen, traurigen Zirkusfiguren und Luftballonverkäufern. Doderer und Josef E. Köplinger (Intendant des Gärtnerplatztheaters, Auftraggeber, Librettist und Regisseur in einem) setzen vor allem auf das Wort. Aber als Melodrama mit den verdeutlichenden Textwiederholungen wirkt (vor allem im ersten Teil) es etwas eintönig.

Die Bühne (Rainer Sinell) in der Münchner Reithalle (noch immer muss das Gärtnerplatztheater auf auswärtige Spielstätten ausweichen) ist karg: Eine Bank, die Dachkrone eines Ringelspiels, ein Eisenbahngleis und eine Wand, die – nach vorn geschoben – Lilioms und Julies Wohnung markiert, müssen genügen. Dahinter ist das Orchester, das unter Michael Brandstätter voll Energie das Geschehen im Dreivierteltakt kreisen oder mit Schlagwerk das Schicksal anklopfen lässt. An Lilioms Leiche wartet Doderer mit einer berührend sentimentalen wiederkehrend Melodie auf.

Effektvoll opernhaft und ohne Angst vor Kitsch und Kabarett geht es allerdings im zweiten Teil zu, wenn im Himmel dem Selbstmörder Liliom ein Passierschein für einen Erdenbesuch ausgestellt wird. Da funkelt ein Kinderchor als Sternenmeer im Himmel. Da wird plötzlich zart und – so scheint es – ohne Ironie die Liebe zum sentimental-gewalttätigen Liliom verklärt, dem immer wieder, selbst nach seinem Tod, die Hand "ausrutscht". (Bernhard Doppler aus München, 15.11.2016)