Gelder aus der Festplattenabgabe werden von den Verwertungsgesellschaften an erfolgreiche Künstler wie Andreas Gabalier, aber auch an Nachwuchskünstler ausgeschüttet. Das System steht juristisch auf dem Prüfstand.

Foto: Robert Newald

Wien – Des einen Freud' ist des anderen Leid: Im Kern fasst dieser Spruch zusammen, wie Künstler auf die Hersteller von Speichermedien aller Art blicken. Seit die ersten Kassettenrekorder in die Geschäfte kamen, argumentieren Urheberrechtsvertreter, dass ihnen durch Privatkopien von Nutzern Einnahmen entgehen, während IT-Konzerne durch den Verkauf von Kassetten, CD-Rohlingen und später Festplatten profitieren.

Nach dutzenden Rechtsstreitigkeiten, etwa um die Frage, ob ein Smartphone wie eine Kassette zu behandeln sei, schienen die erbitterten Streitigkeiten vor einigen Wochen beigelegt worden zu sein. Der Gesetzgeber hatte schon seit den 1960er-Jahren eine Urheberrechtsabgabe favorisiert, im Herbst 2015 wurde das Gesetz novelliert. Es umfasst nun alle Geräte mit Festplatte.

Unklar war damals jedoch, was mit sogenannten Altfällen passiert – also mit Abgaben auf jene Geräte, die vor Inkrafttreten der Gesetzesnovelle verkauft worden sind. Die Verwertungsgesellschaften forderten bereits seit 2006 Abgaben auf Smartphones, seit 2010 Abgaben auf Tablets. Die meisten Händler weigerten sich, diese zu bezahlen, wodurch es zu mehreren Prozessen kam.

Nach monatelangen Verhandlungen wurde nun vor wenigen Wochen eine Einigung erzielt: Firmen wie Apple und Samsung erklärten sich bereit, Entgelte für ab 2012 verkaufte Smartphones und für ab 2010 verkaufte Festplatten und Tablets zu überweisen. Als Berechnungsgrundlage dienen die aktuellen Tarife, die von Verwertungsgesellschaften und der Wirtschaftskammer ausgehandelt werden.

"Es war ein zähes Fechten, das zu einem vernünftigen Ergebnis geführt hat", sagt Ulrich Fuchs, der dem Bundesgremium Maschinenhandel in der Wirtschaftskammer vorsteht. Die Verwertungsgesellschaften können über die aktuellen, höheren Tarife als Berechnungsgrundlage glücklich sein, während der Elektrohandel mit der kürzeren Zeitspanne für Altfälle zufrieden ist. Paul Fischer, Jurist bei Austro-Mechana, bestätigt dem STANDARD, dass das Entgelt "von den allermeisten Marktteilnehmern" bereits überwiesen worden ist. Prinzipiell wäre die Causa Festplattenabgabe damit endgültig erledigt.

Doch ein gewichtiger Mitspieler stört die Idylle: Der Onlineversandhändler Amazon, der sich seit Jahren weigert, die Festplattenabgabe zu überweisen – und womöglich bald vom Obersten Gerichtshof (OGH) Recht erhalten könnte. Das könnte sogar dazu führen, dass alle bereits getätigten Überweisungen an Amazon infrage gestellt werden, warnt Gerhard Ruiss von der IG AutorInnen.

Erste Instanzen pro Amazon

Amazon stellt mit seiner Argumentation zwei Grundprinzipien der getroffenen Regelung infrage. Um beide zu verstehen, muss der Weg der Abgabe vom Käufer zum Künstler betrachtet werden. Prinzipiell wird die Abgabe vom Hersteller oder Importeur von Festplatten geleistet, dieser Betrag wird an den Handel und schließlich die Kunden in Form von Preissteigerungen weitergegeben. Die "Urheberrechtsabgabe" wird seit der Gesetzesnovelle auch auf der Rechnung ausgewiesen.

Der Betrag wandert nach dem Verkauf der Festplatte an die Verwertungsgesellschaften, wobei die Austro-Mechana die Einhebung der Entgelte und deren Verteilung an andere Organisationen übernimmt. Die einzelnen Verwertungsgesellschaften leiten das Geld nun nach einem eigenen Schlüssel an die Künstler weiter.

Dabei profitieren oft erfolgreiche Chartsstürmer oder Bestsellerautoren, etwa im Bereich der Musik Andreas Gabalier. Allerdings muss ein Teil der Einnahmen in einen sogenannten SKE-Fonds fließen, mit dem der Nachwuchs oder sozial schwache Künstler unterstützt werden. Bewerben darf sich dafür jeder, der in Österreich lebt und künstlerisch tätig ist.

An genau diesem Punkt hakt Amazon ein: Der IT-Konzern denkt, dass durch die Beschränkung auf in Österreich lebende Künstler das EU-Diskriminierungsverbot verletzt wird. Das Handelsgericht Wien, das als erste Instanz mit dem Fall betraut worden ist, gab Amazon in diesem Punkt recht – "unerwartet", wie der die Künstler fördernde Verein Mica kommentierte.

Es sei "tatsächlich davon auszugehen, dass aufgrund der teils ausdrücklich auf eine Staatsbürgerschaft oder einen Inlandsbezug abstellenden Textierungen der Richtlinien und Informationen ausländische Berechtigte bereits von der Antragstellung abgehalten wurden", heißt es im Urteil des Handelsgerichts Wien, das vom Oberlandesgericht Wien bestätigt worden ist.

Rückholung zu schwierig

Auch der zweite Kritikpunkt Amazons zielt auf ein Herzstück des Mechanismus ab. Amazon bekrittelt, dass sich Nutzer, die keine Privatkopien anfertigen, das pauschal eingehobene Entgelt zu schwer zurückholen können. Unternehmen konnten schon länger geltend machen, dass ihre Festplatten rein zu beruflichen Zwecken eingesetzt werden; für Privatpersonen war das vor der Gesetzesnovelle ungleich schwieriger.

Doch laut Amazon legten Verwertungsgesellschaften Konsumenten noch immer zu hohe Hürden in den Weg. In den Verhandlungen vor dem Handelsgericht wurde klar, dass "Rückerstattungsanträge von Privatpersonen über eine Weisung der Geschäftsleitung abgelehnt wurden". Die Austro-Mechana argumentiert, dass es praktisch unmöglich sei, bei allen Privatkunden zu überprüfen, ob diese Kopien geschützter Werke anfertigten.

Bei der Festlegung der Tarife berufen sich Verwertungsgesellschaften auf Studien, die das Nutzungsverhalten der Konsumenten untersuchen. Daraus wird dann die Anzahl der angefertigten Privatkopien abgeleitet.

Das Handelsgericht gibt den Verwertungsgesellschaften insofern recht, als die Überprüfung einzelner Nutzer ein "derartiger Aufwand" wäre, dass es Verwerter vor grobe Probleme stellen würde. Doch wies das Gericht darauf hin, dass der Gesetzgeber bei der Novelle "Reformbedarf" gesehen und daher eine einfachere Rückerstattung für Privatnutzer eingeführt habe. "Der Punkt der Vorinstanzen war, dass das System der Rückvergütungen nicht ausreichend bekannt gewesen wäre", sagt Austro-Mechana-Jurist Fischer.

Musikfonds pausiert

Bis der OGH seinen Spruch in der Causa gefällt hat – was nach STANDARD-Informationen übrigens nicht in den nächsten Wochen erfolgen dürfte -, zittern die Verwertungsgesellschaften jedenfalls um ihre Einkünfte. Die Ausschüttung von SKE-Fonds, etwa in Form des Musikfonds, wurde weitgehend gestoppt. "Es gab bei den Verhandlungen Stimmen, die darauf drängten, das Amazon-Urteil abzuwarten", sagt Maschinenhandels-Gremiumobmann Fuchs. Er glaubt aber nicht, dass die erzielte Einigung von den einzelnen Herstellern nach einem Spruch pro Amazon wieder infrage gestellt würde. Sieht der OGH allerdings derartige Mängel, dass er dem Gesetzgeber eine Überarbeitung der Urheberrechtsnovelle empfiehlt, dann "könnte das zur Auflösung der Verwertungsgesellschaften führen", sagt Fuchs.

Laut Austro-Mechana-Jurist Fischer könnte das Geld aus der Einigung über die Altfälle nicht rücküberwiesen werden. Aber: "Laufende Zahlungen könnten natürlich hintangehalten werden, wir würden diese Zahlungen dann aber jedenfalls einklagen." Allerdings sieht auch Fischer die Möglichkeit, dass durch das Urteil ein "direkter oder indirekter Auftrag zur Änderung des Verteilungssystems folgt". Die Causa Festplattenabgabe würde dann also auch politisch in die nächste Runde gehen. (Fabian Schmid, 16.11.2016)