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Wien – Die Situation bei der Mindestsicherung ist weiterhin verfahren: Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) ortet "bisher noch keine Bewegung vonseiten der ÖVP" – "ich warte noch auf diese Bewegung", sagte er am Dienstag vor dem Ministerrat. Abermals bekräftigte Stöger seinen Vorschlag einer gesetzlichen Pflichtversicherung für alle Mindestsicherungsbezieher.

Eine Veränderung bei der ÖVP sei für ihn "noch nicht wahrnehmbar", meinte Stöger. Daran ändern offenbar auch die jüngsten Vorschläge wie eine flexible "Untergrenze" von ÖVP-Verhandler August Wöginger nichts: Es gehe darum, Menschen vor Armut zu schützen, das sei die Funktion der Mindestsicherung, betonte Stöger. "Noch weiter nach unten zu gehen, kann ich mir nicht vorstellen." Die Verhandlungen über die Verlängerung des Bund-Länder-Vertrages ("15a-Vereinbarung") über die Mindestsicherung sind vorige Woche gescheitert.

Derzeit laufen zwar informelle Gespräche über die weitere Vorgehensweise, aber keine offiziellen Verhandlungen. Sollte bis Jahresende keine Einigung gelingen, muss wieder jedes Land seine eigenen Regelungen treffen. Oberösterreich hat Kürzungen für Flüchtlinge bereits beschlossen, Niederösterreich will am Donnerstag nachziehen und auch eine Deckelung für Familien einführen.

Gemeinnützige Arbeit in Niederösterreich

Mindestsicherungsbezieher sollen in Niederösterreich ab 2017 gemeinnützige Hilfstätigkeiten verrichten, wenn das Arbeitsmarktservice (AMS) zeitgleich keine Maßnahmen anordnet. Dies sieht der Entwurf zur Änderung des NÖ Mindestsicherungsgesetzes vor, der in der Landtagssitzung am Donnerstag beschlossen werden soll. Kritik kam am Dienstag unter anderem von der Armutskonferenz. Als Arbeitgeber kommen das Land oder eine Gemeinde in Betracht, heißt es im Bericht des Sozialausschusses, der einen Abänderungsantrag von Abgeordneten der ÖVP und FPÖ zum Gesetzesentwurf angenommen hat.

"AMS-Schulungen und -Fortbildungen gehen vor", betonte Eberhard Blumenthal, Sprecher des Landtagsklubs der Volkspartei NÖ. Besucht der Mindestsicherungsbezieher keine derartigen Maßnahmen, könne ihn die Gemeinde zu gemeinnützigen Hilfstätigkeiten heranziehen. Es sei den Gemeinden überlassen, ob sie gemeinnützige Arbeit anbieten, auch eine Bezahlung obliege der Gemeinde, sagte Blumenthal auf APA-Anfrage. Mindestsicherungs-Bezieher müssten sich "nicht aktiv darum kümmern", eine gemeinnützige Tätigkeit zu finden. Die Armutskonferenz äußerte Kritik: "Für diese Tätigkeiten sind im Gesetz nicht einmal Aufwandsentschädigungen vorgesehen, von einer Anstellung als Transit-Arbeitskraft, wie im Bereich AMS-geförderter Projekte üblich, ganz zu schweigen." "

Zum Wohle der Allgemeinheit

Bei den Tätigkeiten handelt es sich um Aufgaben, welche dem Wohle der Allgemeinheit dienen, 'sozialen Charakter' haben und keine bestehenden Arbeitsplätze ersetzen oder gefährden", heißt es im Bericht des Sozialausschusses. Im Wesentlichen seien es jene Aufgaben, die vom Innenministerium in einem Leistungskatalog für Asylwerber aufgelistet wurden. Bei einer ersten grundlosen Ablehnung oder vorzeitigen Beendigung einer zumutbaren angebotenen Hilfstätigkeit gibt es keine Sanktionen, beim zweiten Mal soll die Mindestsicherung gekürzt werden.

Die Armutskonferenz kritisierte in einer Aussendung, dass in Niederösterreich "überfallsartig weitere soziale Härten für Armutsbetroffene eingebaut" würden. Es habe kein Begutachtungsverfahren gegeben, kurzfristig sei ein Abänderungsantrag im Sozialausschuss eingebracht worden. Bei den Hilfstätigkeiten ist laut Armutskonferenz ungeklärt, wie sichergestellt werden soll, dass im Rahmen der geplanten gemeinnützigen Arbeit in Niederösterreich nur Tätigkeiten zugewiesen werden, die im Einzelfall auch tatsächlich zumutbar sind. Der Sprecher des ÖVP-Landtagsklubs erwartet in puncto Zumutbarkeit, dass die Gemeinden "mit Augenmaß vorgehen" werden.

Ablehnung der Neuregelung äußerte indes Judith Pühringer, Geschäftsführerin von arbeit plus, einem Netzwerk von gemeinnützigen sozialen Unternehmen: "Langzeitbeschäftigungslose Frauen und Männer brauchen arbeitsmarktintegrative Angebote, die sie nachhaltig ins Erwerbsleben zurückführen. Kein Taschengeld also, kein 'So-tun-als-ob', sondern echte Arbeit, die auch kollektivvertaglich bezahlt wird." Sie warnte in einer Aussendung vor "Ein-Euro-Jobs" für Mindestsicherungsbezieher.

Deckel von 1500 Euro

Neben der Verrichtung von gemeinnützigen Hilfstätigkeiten sieht der Gesetzesentwurf einen Deckel von 1.500 Euro pro Haushalt sowie eine "Mindestsicherung light" für Personen, die in den vergangenen sechs Jahren weniger als fünf Jahre ihren Hauptwohnsitz bzw. rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich hatten, vor. Gelten sollen die Änderungen für Anträge ab dem 1. Jänner 2017. In bestehende Bescheide werde nicht eingegriffen, so Blumenthal. (APA, 15.11.2015)