Tschechische Befürworter von Hausgeburten haben vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg eine Niederlage erlitten. Die Richter bekräftigten im Urteil, dass staatliche Behörden Entbindungen in den eigenen vier Wänden nicht unterstützen müssen. Es gebe in dieser komplexen Frage "keinen europaweiten Konsens", erklärten die Richter und betonten den Ermessensspielraum der Einzelstaaten.

Immer mehr Frauen in Tschechien wollen ihr Kind nicht mehr in der Klinik zur Welt bringen. Sie wünschen sich eine Geburt im vertrauten Umfeld der eigenen vier Wände, fernab von grauen Krankenhausfluren mit ihrem Geruch nach Desinfektionsmitteln. Doch anders als in vielen europäischen Ländern ist eine Hausgeburt zwischen Karlsbad, Prag und Brünn ein praktisch unerfüllbarer Wunsch.

Dagegen hatten zwei tschechische Mütter vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg geklagt. Vor zwei Jahren verloren sie in erster Instanz gegen den tschechischen Staat, legten aber Beschwerde ein.

Ärzte dagegen

Zwar sind Hausgeburten in Tschechien nicht gesetzlich verboten. Doch brauchen Hebammen eine Genehmigung der Gesundheitsbehörden, die nach Angaben der Betroffenen kaum zu beschaffen ist. Bei Nichteinhaltung drohen seit zwei Jahren empfindliche Strafen. Selbst die Eintragung des Kindes beim Standesamt ist mit Schwierigkeiten verbunden. Sichere Zahlen, wie viele Hausgeburten in Tschechien dennoch stattfinden, gibt es nicht.

Eindeutig ist auch die Position der tschechischen Ärzteschaft: Sie lehnt Hausgeburten als zu risikoreich strikt ab. Der Prager Gynäkologie-Professor Pavel Calda sprach gar von einem "egoistischen Abenteuer von Frauen, die sich ohne Rücksicht auf Risiken nach eigenen Erlebnissen sehen". Internationale Studien über die Sicherheit von Hausgeburten kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen und werden kontrovers diskutiert.

Unabhängig vom Ausgang des Prozesses in Straßburg halten die Klägerinnen das tschechische Geburtshilfesystem für nicht mehr zeitgemäß. Gemeinsam mit Aktivisten der Liga für Menschenrechte haben sie zu einem Happening vor dem Gesundheitsministerium aufgerufen. Das Motto: "Einfach nur normal gebären dürfen!"

Film rüttelt auf

Das Thema in die Öffentlichkeit gebracht hatte vor einem Jahr auch der Dokumentarfilm "Fünf Geburten". Die Autoren begleiteten zwei Tage lang den Alltag auf einer großen Prager Entbindungsstation – heraus kam eine Anklage der teils unpersönlichen Behandlung. Zu sehen waren Väter, die auf dem Gang verzweifelt auf Informationen warteten; Mütter, die unmittelbar nach der Geburt von den Neugeborenen getrennt wurden; Reinigungspersonal, das unbeirrt im Kreißsaal putzte. Ärzte reagierten indes empört: Alle Babys seien gesund gewesen. Die Filmemacher hätten nur die "schlimmsten Augenblicke" zusammengeschnitten.

Seit Jahren wird kontrovers diskutiert, ob das Komplikationsrisiko bei einer Hausgeburt höher ist als bei einer Klinikentbindung. Beim europäischen Spitzenreiter, den Niederlanden, liegt der Anteil der geplanten Hausgeburten bei rund 30 Prozent, in Deutschland bei nur knapp zwei Prozent und in Tschechien im Bereich von Einzelfällen. (APA, 15.11.2016)