40 Prozent des Umsatzes erzielt Rehau mit Zulieferungen an die Autoindustrie. In Österreich werden auch Terrassendielen gefertigt.

Foto: HO

Wien – "Zielsetzung ist, zumindest in einem Segment einen Effekt wie Tempo bei Papiertaschentüchern zu haben, wo der Markennamen quasi zum Gattungsnamen geworden ist." Jobst Wagner, Eigentümer und Präsident des Aufsichtsrats der Rehau-Gruppe, ist nicht mit Papier, dafür mit Kunststoffspezialitäten groß geworden.

"Substitution von Materialien war über Jahrzehnte unser Erfolgsgeheimnis", sagt er im Gespräch mit dem STANDARD. "Irgendwann stößt man damit an Grenzen und muss sich etwas Neues überlegen." Bei Rehau heiße das, mehr in die Tiefe gehen, die Wertschöpfungskette erweitern, verstärkt Module anbieten statt einzelne Teile und auf Zusatznutzen achten.

Vom Leder zum Fenster

In der Ukraine und in Russland sei gelungen, was man auch anderswo gern sehen würde: "Rehau ist dort ein Synonym für Fenster", sagte Wagner. Mit konventionellen Produkten sei so etwas auf gesättigten Märkten kaum mehr möglich. Deshalb gehe man auch den Weg der Innovation, kooperiere mit verschiedenen Universitäten, leiste sich aber auch ein Start-up, um ganz bewusst Neues entstehen zu lassen.

Die Ursprünge des Unternehmens reichen zurück in das Jahr 1907, als Wagners Urgroßeltern im fränkischen Rehau mit einer Lederproduktion begonnen haben. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat man sich parallel zur Lederherstellung auch erstmals in der Verarbeitung von Polymeren versucht und zum Beispiel Wasserschläuche hergestellt.

In den Fünfzigerjahren erfolgte der erste Schritt Richtung Automobil. Für den VW Käfer produzierte Rehau Halteschlaufen und Trittbretter. Ebenfalls in den Fünfzigerjahren hat Rehau das erste Fensterprofil extrudiert. Inzwischen ist die in dritter Generation von Muri nahe Bern aus geführte Gruppe auf 3,3 Milliarden Euro Umsatz angewachsen. An gut 170 Standorten in mehr als 70 Ländern sind 20.000 Mitarbeiter beschäftigt.

Diversifizierung

Neben dem Automotivebereich, wo knapp 40 Prozent des Umsatzes erzielt werden, sind Produkte für die Bauwirtschaft (etwa 35 Prozent) sowie Lösungen für die Industrie (knapp 24 Prozent) weitere wichtige Umsatzbringer der Rehau-Gruppe. "Diese Diversifizierung ist gut für uns. Nach der Finanzkrise 2008 ist das Autogeschäft um 30 bis 40 Prozent eingebrochen, von einem Tag auf den anderen. Die anderen Bereiche sind stabil geblieben und haben uns vor Verlusten bewahrt", sagte Wagner.

Österreich war die erste Auslandsgesellschaft, von Österreich aus werden auch die Aktivitäten in 20 Ländern Südosteuropas gesteuert. In Neulengbach in Niederösterreich stellt Rehau als einziger Standort in der Gruppe Terrassendielen auf Basis des Verbundstoffs WPC (Wood Plastic Composite) her. Die Dielen, vertrieben unter dem Markennamen Relazzo, werden bis nach Südamerika geliefert. Außerdem werden in Neulengbach Mikrokabelrohre für die letzte Meile ins Haus produziert. Damit werden, weil ebenfalls einziger Produktionsstandort in der Gruppe, sämtliche Länder in Europa beliefert.

Jobabbau

Vom Tiefbaurohrsegment hat sich Rehau im Frühjahr komplett zurückgezogen, das habe keine Zukunft mehr gehabt, sagte Wagner. Knapp 90 Arbeitsplätze fielen weg. In Österreich beschäftigt Rehau jetzt noch rund 400 Mitarbeiter. Davon ist rund ein Drittel für die Marktbearbeitung Südosteuropas zuständig, ein Drittel für den Vertrieb in Österreich und etwas mehr als ein Drittel in der Produktion in Neulengbach. (Günther Strobl, 15.11.2016)