Krisengespräch unmittelbar nach dem morgendlichen Superstau in Linz: Michael Hammer (links) reiste mit dem Auto an, Markus Hein mit der Straßenbahn.

Werner Dedl

STANDARD: Der deutsche Literaturkritiker Hellmuth Karasek hat einmal gemeint: "Vor Gott sind alle Menschen gleich, vor dem Stau alle Autos." Herr Hammer, können Sie das Verbindende im stockenden Verkehr noch sehen?

Hammer: Nein. In Linz heißt es vielmehr: "Täglich grüßt der Verkehrsinfarkt." Die kilometerlangen Staus von Urfahr und dem Mühlviertel ins Zentrum sind eine enorme Belastung. Und mit dem Abriss der Eisenbahnbrücke hat sich die Situation noch einmal verschärft.

Hein: Trotzdem sind wir in einer glücklichen Lage: Die Stauspitzen in Linz sind vergleichsweise kurz, und in zwei Stunden ist der Spuk meist vorbei.

STANDARD: Was jetzt Pendler, die täglich diese Stunden im Auto absitzen, wohl wenig beruhigen wird.

Hein: Ich habe ja nicht gesagt, dass die Verkehrssituation für Pendler einfach ist. Aber die Lage in Linz ist nicht mit der in anderen österreichischen Städten vergleichbar. Linz hat knapp 205.000 Einwohner und bietet 210.000 Menschen Arbeit. Von diesen Arbeitsstellen sind 110.000 mit Einpendlern besetzt – davon sind wiederum ungefähr 50.000 aus dem Mühlviertel. Das Straßennetz in Linz ist am Rande seiner Kapazität.

Hammer: Da ist die Situation ohnehin schwierig – und dann reißt man die Eisenbahnbücke ab, ohne sich vorher groß Gedanken über einen Neubau gemacht zu haben. Da fehlt es doch an Hausverstand. Und so was regt die Pendler draußen extrem auf.

Hein: Die Brückensituation ist in ganz Oberösterreich keine glückliche. Aber der Vorwurf, warum man die Planung nicht vorab gemacht hat, geht ins Leere: Es hat zwei Vorschläge gegeben – zwei Brücken oder eine neue Brücke. Und dazu eine Volksbefragung. Es hätte keinen Sinn gemacht, mit der Planung zu beginnen, ohne das Endergebnis zu kennen.

STANDARD: Über die notwendigen Mittel für eine neue Brücke hätte man sich aber vor dem Abriss Gedanken machen können, oder?

Hein: Das stimmt. Es lag aber nicht an der Stadt. Wir haben uns sehr früh um konkrete Gespräche mit dem Land bemüht.

Hammer: Der Wille hat gefehlt. Im damals noch roten Verkehrsressort der Stadt wollte man eine neue Brücke. Und wenn man ein paar Gutachten für einen Abriss hat, findet sich eben schwer ein Gegengutachter.

STANDARD: Was fordert man jetzt konkret vonseiten der Mühlviertler Pendlerinitiative?

Hammer: Es geht einfach darum, die Gefühls- und Stimmungslage unter den Pendlern nicht noch aufzuheizen, sondern mit konkreten Maßnahmen die Situation zu verbessern. Etwa durch einen Ausbau von Park-and-ride-Anlagen im Linzer Umland.

Hein: Es werden bitte nicht einmal die derzeitigen Anlagen auch ausreichend genutzt.

Hammer: Stimmt doch nicht. Gut, aber Sie müssen ja irgendwie Ihre geplanten Parkgebühren für das Urfahraner Jahrmarktgelände rechtfertigen. Es ist doch ein Witz, dass man den Pendlern, die eh schon ang’fressn sind, auch noch ins Geldtascherl greift.

Hein: Angedacht sind drei Euro pro Tag. Das kann man sich leisten. Sie stellen das falsch dar: Es sind ja nicht alle Pendler Sozialhilfeempfänger. Es gilt die innerstädtische Parkattraktivität und damit die Zahl der Autos zu senken. Und die Umlandgemeinden in die Pflicht zu nehmen.

Hammer: Das ist doch nur ein Scheingefecht. Die angedachte Parkgebühr ist keine verkehrspolitische Maßnahme, das ist eine reine Geldbeschaffungsaktion.

STANDARD: Herr Hein, Sie fordern mehr Flexibilität. Wo konkret müssen die Pendler mobiler werden?

Hein: In Linz fahren über 50 Prozent mit den Öffis, bei den Einpendlern sind es 75 Prozent, die mit dem Auto kommen. Und parallel dazu haben etwa die Fahrgastzahlen der Mühlkreisbahn abgenommen. Das passt doch einfach nicht zusammen. Natürlich können nicht alle Pendler auf ein Auto verzichten. Aber es gibt relativ viele, die eine gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr hätten und trotzdem mit dem Auto fahren. Und dann sitzt oft nur eine Person im Fahrzeug. Solange sich am Mobilitätsverhalten vieler Pendler nichts ändert, wird sich auch auf städtischem Gebiet die Verkehrslage nicht verbessern.

Hammer: Den Pendlern die Schuld in die Schuhe zu schieben, ist billig. In den ländlichen Regionen legt man teilweise vier, fünf Kilometer bis zur nächsten Bushaltestelle zurück. Das geht man in der Früh und am Abend nicht zu Fuß. Im Sommer nimmt man vielleicht das Fahrrad oder Moped. Aber im Winter fährt man sicher mit dem Auto. Es gibt viele Fahrgemeinschaften – aber die Arbeitszeiten sind heute flexibel. Da ist es nicht so leicht, gemeinsam zu fahren. (Markus Rohrhofer, 14.11.2016)