Mittendrin statt nur dabei: Kei Nishikori, Milos Raonic, Stan Wawrinka, Andy Murray, Marin Cilic, Dominic Thiem, Novak Djokovic und Gael Monfils.

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London – Die ersten Trainings sind absolviert, die Eindrücke des exklusiven Events wird Dominic Thiem nie vergessen. Der 23-jährige Niederösterreicher, der wie der Franzose Gael Monfils erstmals bei den ATP-Finals in der O2-Arena in London dabei ist, geht freilich als Außenseiter in seine drei Spiele in der Gruppe "Ivan Lendl". Schon am Sonntag (15.00 Uhr MEZ) muss Thiem gegen Novak Djokovic auf den Court.

Djokovic ist erst diese Woche nach 122 Wochen in Folge von Andy Murray als Nummer eins im ATP-Ranking abgelöst worden. Der 29-jährige Serbe hatte nach vier Major-Siegen en suite inklusive der French Open ein bisschen weniger gewonnen und schon war er in einer "Krise". Doch Djokovic hat die vergangenen vier ATP-Finals in London gewonnen und könnte mit einem neuerlichen Triumph nicht nur mit dem diesmal abwesenden Rekordmann Roger Federer (6 ATP-Finals-Titel) gleichziehen – er könnte sich den Tennis-Thron auch schon wieder zurückholen.

23:0 für Djokovic

Die Favoritenstellung von Djokovic allein im Pool "Ivan Lendl" zeigt auch das gesamte Head-to-Head gegen seine drei Gruppen-Gegner: 23:0 (!). Es wird in der Gruppe also wohl nur um den zweiten Platz gehen, der auch zum Aufstieg ins Halbfinale berechtigt. Thiem ist auch gegen die weiteren Gegner im Round-Robin-Modus, den Kanadier Milos Raonic (ATP-4.) und den Franzosen Gael Monfils (6.), Außenseiter. Mit nur einem Matchsieg in der Gruppenphase, der 200 Punkte und zusätzliche 179.000 US-Dollar wert ist, könnte Thiem aber im Jahres-Endranking Rafael Nadal noch überholen und auf Platz 8 überwintern.

"Freilich wäre das schön. Aber du kannst hier nichts prognostizieren, es ist alles komplettes Neuland für ihn. Dominic macht das normalerweise gut, wenn er das erste Mal irgendwo ist", erklärte Thiem-Coach Günter Bresnik. Doch man dürfe auch nicht vergessen, dass es seinem Schützling in den vergangenen Wochen nicht so gut gelaufen war. "Und wenn dir auf dem Niveau ein paar Prozent abgehen, dann war es das schon."

Lange Anlaufphasen wie bei normalen Turnieren darf sich Thiem nicht leisten, er muss gleich von Beginn an sein bestes Tennis abrufen. "Es ist so wichtig, dass er diese Erfahrung macht: innerhalb von fünf Tagen gegen drei Top-Ten-Spieler, das ist eine andere Erfahrung, als wenn du sie woanders am Ende von einem Turnier erwischt", erklärt Bresnik. Neu für Thiem ist freilich auch, dass eine Niederlage nicht das Aus bedeutet und man voll fokussiert bleiben muss.

Blick auf die Gegenwart

Doch völlig unbeschwert wird der mit 23 mit Abstand jüngste Spieler im Achter-Feld (der nächstälteste ist Raonic, der im Dezember 26 wird) nicht einlaufen. "Man kommt ja nicht da her, dass man sich auf die Zukunft vorbereitet, sondern der spielt in der Gegenwart und da möchte er gut spielen", sagte der 55-jährige Bresnik, der in einer ATP-Wahl zum Trainer des Jahres hinter Wawrinka-Coach Magnus Norman Zweiter wurde.

In einer großen Gala auf einem imposanten Segel-Dreimaster auf der Themse kamen die acht Jahresbesten Donnerstagabend in blauen Anzügen zusammen. Für den jungen Thiem ein ganz besonderes Erlebnis. Spätestens am Sonntag wird es aber vor 17.500 Zuschauern ernst im Kampf um Punkte, Preisgeld und Prestige.

Bresnik weiß freilich, dass gerade Djokovic ein besonders schwieriger Auftakt-Gegner ist. "Die Verhältnisse zwischen Djokovic und Dominic stehen ziemlich klar zuungunsten von Dominic. Der ist Turnierfavorit, auch wenn er 'nur' Nummer zwei in der Welt ist. Der will die Nummer-1-Position zurückholen. Das wird für Dominic kein leichter Gang werden, ganz im Gegenteil."

Training mit Nishikori und Cilic

Thiem hat am Donnerstag seine ersten beiden Einheiten mit starken Jugendlichen trainiert, am Freitag ist eine Einheit mit Kei Nishikori (JPN), am Samstag eine mit Marin Cilic (CRO) angesetzt. Die beiden bilden gemeinsam mit Neo-Nummer eins Andy Murray (GBR) und US-Open-Sieger Stan Wawrinka (SUI) die Gruppe "John McEnroe".

Bresnik, der die O2-Arena schon kannte, war trotzdem vom Stadion angetan. "Wunderschön. Die Halle ist beeindruckend, die ist so groß wie ein Fußball-Stadion." Auch das Rundherum mit eigenem Chauffeur, eigenem Sicherheitsbeamten, eigener Umkleide-Kabine und eigener Hotel-Suite ist exklusiv.

Trotz all der neuen Eindrücke: Einer, der es wissen muss, empfiehlt den Event-"Rookies" Thiem und Monfils "vollen Angriff" – Alex Corretja. Der Spanier ist einer von nur fünf Spielern, die das ATP-Saisonfinalturnier gleich bei ihrem Debüt gewonnen haben. Corretja holte den Titel 1998, davor war dies nur Stan Smith, Ilie Nastase, Guillermo Vilas und John McEnroe gelungen,

Corretja gibt Thiem Chancen

"Wenn einer der beiden das Turnier gewinnt, sollte niemand überrascht sein, weil sie sehr gute Spieler sind, auch wenn die anderen mehr Erfahrung haben", meinte Corretja in einem Interview mit der ATP. "Beim ersten Mal fühlt man es: 'Wow, ich bin einer der großen Namen in meinem Sport." Doch man solle sich nicht vom großen Scheinwerferlicht beeindrucken lassen. Sein Tipp? "Geht voll drauf los und wartet nicht ab. Und glaubt an euch: Ihr seid hier, weil ihr gut genug seid, gegen diese anderen Spieler anzutreten." (APA; 11.11.2016)