Recep Tayyip Erdoğan vor dem Atatürk-Mausoleum.

Foto: APA/AFP/Altan

Ankara – Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan will an die Größe des Osmanischen Reiches anknüpfen. "Wir werden nicht Gefangene auf 780.000 Quadratkilometern sein", sagte er am Donnerstag beim Gedenken zum 78. Todestag von Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk mit Blick auf die aktuelle Größe der Türkei.

"Unsere Brüder auf der Krim, im Kaukasus, in Aleppo und Mossul mögen jenseits der physischen Grenzen sein, aber sie sind innerhalb der Grenzen unserer Herzen", sagte der Staatschef. Den Staatsgründer der modernen Türkei bezeichnete Erdoğan bei der Zeremonie am Atatürk-Mausoleum in Ankara als "Gazi" (Krieger).

"Wenn Sie heute nach Syrien, in den Irak, nach Afrika oder zu irgendeinem Ort auf dem Balkan gehen und dort die Menschen nach ihrer Meinung über die Türken fragen, hören Sie niemals Ausdrücke wie Unterdrückung oder Massaker", sagte Erdoğan. "Es ist bereits ein Jahrhundert vergangen, seitdem wir diese Regionen verlassen haben, aber die Menschen dort haben nie aufgehört zu warten."

"Freund, wo bist Du?"

"Wir werden die Unabhängigkeit der türkischen Republik, die Mustafa Gazi als sein größtes Werk bezeichnet und uns als Erbe hinterlassen hat, immer weiter verstärken", sagte Erdoğan. Der Einfluss der Türkei müsse weit über ihre geografischen Grenzen hinausreichen.

Das Osmanische Reich, das Atatürks moderner Türkei vorausging, hatte eine mehrfach so große Ausdehnung und umfasste zeitweise den Balkan sowie große Teile Arabiens. Kritiker Erdoğans werfen ihm vor, dass er das Land mit seiner Islamisierungspolitik vom säkularen Kurs des Staatsgründers wegführe. Die Erdoğan-kritische Tageszeitung "Sözcü" (Sprecher) stellte in ihrem Erinnerungsbeitrag zu Atatürk am Donnerstag die Frage: "Freund, wo bist du?"

Atatürk starb am 10. November 1938 im Dolmabahçe-Palast in Istanbul im Alter von 57 Jahren, 15 Jahre nach der Gründung der Türkischen Republik. Die von ihm gegründete und nunmehr oppositionelle Republikanische Volkspartei (CHP) plante einen Marsch zu seinem Mausoleum (Anitkabir) in Ankara. Innenminister Süleyman Soylu erließ dafür eine Sondergenehmigung angesichts des unter dem derzeitigen Ausnahmezustand geltenden Versammlungsverbots.

Am 15. Juli war ein Putsch gegen Erdoğan gescheitert. Seitdem geht die Staatsführung mit großer Härte gegen Regierungsgegner und kritische Medien vor. (APA, 10.11.2016)