Die Ponix-System-Gründer Alexander Penzias und Alvaro Lobato-Jimenez wollen das Gärtnern in die Wohnung bringen.

Robert Newald

"Herbert" bringt Obst und Gemüse ins Wohnzimmer.

Robert Newald

Wien – Die Geschichte von "Herbert", einem Gemüse- und Kräuterbeet, das an der Wand befestigt werden kann, beginnt mit der Zierfisch-Leidenschaft des Start-up-Gründers Alexander Penzias. Heute hat er sein Hobby zum Beruf gemacht und zusammen mit dem Elektrotechniker Alvaro Lobato-Jimenez ein Beet geschaffen, das zwölf Monate im Jahr Salat und Erdbeeren in städtische Wohnzimmer bringt. Während der Produktentwicklung wurde das Büro im 15. Wiener Gemeindebezirk schon zweimal unter Wasser gesetzt, die Speisefische aus den Aquarien landeten teilweise neben dem selbstgezogenen Salat auf dem Teller. Die Entwickler lernten außerdem, wie man Salat glücklich macht und dass man in einer Wohnung selbst Biene spielen muss.

Penzias zog als Kind oft mit seinen Eltern um und durfte deshalb nie andere Haustiere als Fische halten. Der Betriebswirt beschäftigt sich deshalb seit seiner Kindheit mit Aquarien und lernte so die Aquaponik kennen – diese nahmen die Gründer von Ponix Systems als Vorbild für ihr Indoor-Beet. Aquaponik setzt sich aus den Wörtern Aquakultur, also Fischzucht, und Hydroponik, der Zucht von Pflanzen im Wasser ohne Erde, zusammen. In der Aquaponik wird ein Fischtank mit einem Beet zusammengeschlossen, dabei wird ein Mikrokreislauf erzeugt: Die Exkremente der Fische düngen die Pflanzen, die wiederum das Wasser des Fischtanks reinigen. Zusammen mit vier weiteren Entwicklern tüftelten sie zwei Jahre lang an dem Beet.

"Herbert" – benannt in Anlehnung an das englische Wort "herbs" (Kräuter) – ist ein Kasten, in dem in 15 Vertiefungen Gemüse- und Obstpflanzen sowie Kräuter gezüchtet werden können. Die Vertiefungen werden mit biologisch abbaubaren Schwämmen gefüllt, in denen Samen gedeihen. "Herbert" hat einen integrierten Wassertank, der die Pflanzen mit Flüssigkeit und Nährstoffen versorgt. Pflanzen benötigen durch diese Anbaumethode wesentlich weniger Wasser und liefern mehr Ertrag als im herkömmlichen Anbau, da die notwendigen Nährstoffe direkt an die Wurzel "gespült" werden. Verkehrte Kunststoffbecher dienen als Mini-Gewächshäuser. Doch anders als bei Aquaponik kommt das Beet mittlerweile ohne Aquarium aus. Den Mehraufwand einer Fischzucht wollte man den Kunden ersparen.

"Salat ist mit Wasser und rot-blauem Licht glücklich"

Damit die Pflanzen in einer Wohnung gedeihen können, brauchen sie natürlich vor allem eines: Licht. Deshalb hat das Entwicklerteam besonders lange an der optimalen Lichtversorgung gebastelt. Denn Licht lässt Pflanzen nicht nur wachsen, es beeinflusst auch Geschmack, Farbe und Konsistenz. Salat wird durch ultraviolettes Licht knackiger, Bernsteinfarben sind gut für die Ausbildung von Rosmarinsäuren im Basilikum. "Salat ist mit Wasser und rot-blauem Licht glücklich", sagt Penzias. Ein sorgloser Salat bringe jedoch nicht das beste Geschmackserlebnis: Erst durch Stress, der etwa durch Sonne oder Schädlingsbefall erzeugt wird, bilden sich sekundäre Pflanzenstoffe aus, die den Geschmack beeinflussen.

Die Pflanzen können durch die kontinuierliche Zufuhr an Nährstoffen, Wasser und Licht das ganze Jahr über gedeihen, aber auch für bis zu zwei Wochen unbeaufsichtigt sprießen. Im Entwicklungsprozess spielte auch Ästhetik eine Rolle. "'Herbert' soll ein lebendiges, buntes Wohnzimmerbild sein, das man selbst gestalten und auch essen kann", so die Unternehmer. Das System sei außerdem eine saubere Lösung für den Innenraum, da es ohne Erde auskommt.

Der lange Weg zum Produkt

Bis jetzt ist "Herbert" noch nicht auf dem Markt, die zwei Unternehmer planen eine Kickstarter-Kampagne ab Februar. Ihr Ziel: 50.000 Euro. Die Entwicklung des Beets kostete bereits viel Energie und Geld, 120.000 Euro an Eigenmitteln und Fördergeldern sind bisher in das Projekt geflossen. Die Unternehmer kämpften neben finanziellen Hürden aber auch mit undurchsichtigen Patent- und Förderanträgen.

Heute erinnert das Büro an ein kleines Gewächshaus, in dem überall Kräuter, Erdbeeren, Tomaten und Chilis wuchern und Aquarien blubbern. Die Wände werden von botanischen Illustrationen geziert, die beiden Gründer haben sich das Wissen über Pflanzen autodidaktisch beigebracht. Die Leidenschaft für Botanik ist ihnen anzuhören: Wenn sie von ihren Pflanzen erzählen, könnten auch stolze Eltern sprechen. "Im Innenraum findet keine natürliche Bestäubung durch Bienen statt", erklären die Pflanzenväter. Die Bestäubung von Chiliblüten übernehmen die beiden deshalb händisch mit einem Pinsel.

Nachhaltigkeit spielt eine große Rolle

Sobald "Herbert" durch die Kickstarter-Kampagne finanziert ist, soll er in unterschiedlichen Designs auf den Markt kommen. Penzias und Lobato-Jimenez ist ein ressourcenschonender Umgang dabei wichtig. Die verwendeten Materialien sind recycelbar, lebensmittelecht und werden möglichst regional produziert. Der Energieverbrauch der LED-Lichter ist gering, laut Entwicklern ist pro Jahr in etwa so viel Energie wie bei einer klassischen Glühbirne nötig. "Das Beet soll vor allem Stadtbewohnern den Lebensmittelanbau wieder näherbringen", sagt Penzias.

"Herbert" ziert bisher schon einige Hotels und Restaurants, für Einzelkunden wird er voraussichtlich ab dem Frühjahr zu erstehen sein, Kostenpunkt 490 Euro. Für die Kickstarter-Kampagne wird es jedoch ein günstigeres Angebot geben. Kunden können zusätzlich Abos für Samen, Schwämme und Nährstoffe anfordern. Das Beet kann auch durch ein Aquaponik-System inklusive Aquarium ergänzt werden.

Wohnungsgärtner können in etwa alle vier Tage einen Salatkopf ernten oder sich täglich über frische Erdbeere freuen. Das Beet reicht zur kompletten Eigenversorgung aber vermutlich nicht aus. Außerdem ist der Anbau von Knollenfrüchten nicht möglich. "Herbert" ist auf jeden Fall eine ausgetüftelte Lösung für Gartenliebhaber, die auch in einer Stadtwohnung nicht auf eigenes Obst und Gemüse verzichten wollen, preislich jedoch eher im Luxussegment angesiedelt. (Nora Laufer, 14.11.2016)