Wien/Washington – Der österreichische Handelsdelegierte in New York, Michael Friedl, sieht nach dem Wahlsieg von Donald Trump keinen Grund für österreichische Firmen in Panik zu verfallen. Viele heimische Firmen seien in den USA gut verwurzelt und könnten aus ihren US-amerikanischen Niederlassungen amerikanische Produkte liefern, sagte der Handelsdelegierte nach der US-Präsidentenwahl im Gespräch mit der APA.

Die Unternehmen sollten sich auch am jeweiligen US-Bundesstaat orientieren, wo sie ihre Niederlassung haben bzw. wo sie Geschäfte betreiben – möglicherweise werde sich konkret für sie kaum etwas ändern.

Nach der Wahl müsse man nun das – für Europäer sehr überraschende – Ergebnis verdauen und abwarten, wieviel vom Wahlprogramm des Kandidaten auch wirklich umgesetzt werde. Trump habe Steuererleichterungen über alle Einkommensklassen versprochen, größere Investitionen in die Infrastruktur und Neuverhandlungen für Freihandelsabkommen. Für TTIP, das auch in Europa umstrittene Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU, gebe es derzeit wenig Zukunft: "Freihandelsabkommen mit Europa sind nicht ganz oben auf seiner Prioritätenliste."

Reindustrialisierung der USA

Trump wolle eine Reindustrialisierung der USA schaffen, verstärkt Investitionen im eigenen Land fördern sowie die Amerikaner zum Kauf heimischer Produkte bringen – Motto "Buy American" ("Kauf amerikanisch"). Damit könnte eine stärkere Besteuerung ausländischer Produkte verbunden sein. Trotzdem müsse man jetzt abwarten, wie das Team ausschauen werde, das dieses Programm umsetzen soll, mahnt Friedl zur Besonnenheit.

Die Stimmung nach der Wahl sei in den von den Demokraten dominierten Regionen nach der Wahl "eher gedämpft", schildert Friedl: "2008 gab es nach der Wahl von Barack Obama Freudenfeiern in Washington, die Nacht wurde zum Tage gemacht – heuer gab es hier keine Freudenfeiern." In Washington DC, in New York und an der Westküste, den besonders demokratisch geprägten Gebieten, halte sich die Freude über Trumps Wahlsieg verständlicherweise sehr in Grenzen.

Diesmal habe es im Wahlkampf keine klaren Linien bei den Wirtschaftsverbänden gegeben: So habe sich die US Chamber of Commerce, die die republikanisch dominierte Großindustrie vertritt, im Wahlkampf von Trump distanziert. Andere Verbände für kleinere und mittlere Unternehmen hätten sich für Trump stark gemacht. Insgesamt habe sich die Wirtschaft aber weniger als sonst im Wahlkampf engagiert, wohl auch weil beide Kandidaten geringe Beliebtheitswerte in der Bevölkerung hatten. (APA, 10.11.2016)