Handabdrücke von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in einer Flüchtlingsunterkunft.

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Wien – Für alle Kinder gilt der gleiche Anspruch auf Schutz und Fürsorge. Minderjährige ohne österreichische Staatsbürgerschaft und Staatenlose sind österreichischen Kindern also in Bezug auf Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe gleichgestellt – das besagt ein Gutachten von Karl Weber und Michael Ganner von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck. Laut der Hilfsorganisation SOS-Kinderdorf, die das Gutachten in Auftrag gegeben und am Mittwoch präsentiert hat, liegt hier aber vieles im Argen.

SOS-Kinderdorf-Geschäftsführer Christian Moser: "Auf dem Papier hat zwar das Jugendamt die Obsorge übernommen, in der Realität bleiben asylwerbende Jugendliche aber weiterhin oft nur grundversorgt." Dem Innenministerium zufolge befinden sich derzeit österreichweit 5.500 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) in Österreich in Grundversorgung – zwar bei höherem Tagessatz als Erwachsene, er entspreche laut NGOs aber weitaus nicht dem, was für österreichische Kinder in Betreuungseinrichtungen aufgewendet werde. Grundversorgungsleistungen sollten laut Gutachten "die fundamentalen Lebensbedürfnisse" abdecken, jene der Jugendhilfe "darauf aufbauend pädagogische Zielsetzungen beinhalten".

Anderer Betreuungsschlüssel

Bei Einrichtungen für österreichische Kinder liege etwa laut SOS-Kinderdorf die durchschnittliche Zahl der betreuten Kinder bei acht bis zehn, bei UMF befänden sich aber oft 40 andere asylwerbende Jugendliche im gleichen Haus. Tausende wohnen laut Moser in Großquartieren. Außerdem würden Qualitätskontrollen durch die Behörden sowie der regelmäßige Kontakt zum zuständigen Sozialarbeiter fehlen.

In Bezug auf Wien wies eine Sprecherin der zuständigen Stadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) dies zurück: "Jedes Quartier in Wien muss den Kriterien der Kinder- und Jugendwohlfahrt entsprechen", sagte sie. UMF würden nur in altersadäquaten Einrichtungen untergebracht. Auch in Kärnten sei das so, sagte Christina Gaschler-Andreas, dort Leiterin der Kinder- und Jugendhilfe, dem STANDARD. Der Betreuungsschlüssel liege bei maximal eins zu zehn. Größere Einrichtungen gebe es zwar, diese seien aber in kleinere Einheiten unterteilt.

Länderreferenten fordern Klärung

Doch auch die Flüchtlingsreferenten haben Klärungsbedarf: Nach einem Treffen im Oktober forderten sie die Bundesregierung dazu auf, im Zusammenhang mit UMF sich für die Kinder- und Jugendhilfe ergebende Rechtsfragen "durch Schaffung expliziter Regelungen" zu klären – etwa inwieweit mit Eltern im Heimatland Kontakt aufzunehmen sei.

Die Autoren des aktuellen Gutachtens empfehlen die explizite Aufnahme von UMF in die Kinder- und Jugendhilfegesetze – ähnlich wie in Deutschland. (Gudrun Springer, 10.11.2016)