Hans Niessl (links) könnte sich bei der Mindestsicherung wohl leichter mit Erwin Pröll als mit seinem Parteikollegen Michael Häupl (rechst) einigen.

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Wien – Laut sagen wollte es zwar niemand, aber sowohl in SPÖ- wie auch in ÖVP-Kreisen war am Mittwoch eine gewisse Erleichterung zu spüren. Eine Erleichterung darüber, dass das Konfliktthema Mindestsicherung nun endlich vom Tisch ist.

Nach monatelangen ergebnislosen Verhandlungen hatte Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern am Dienstagabend ein Machtwort gesprochen und die Verhandlungen mit den Ländern offiziell für gescheitert erklärt. Der rote Sozialminister Alois Stöger sagte daraufhin die geplanten weiteren Termine ab.

Einigungen überlagert

Der Streit habe zuletzt alle Einigungen in anderen Bereichen – Stichwort Finanzausgleich oder Forschungspaket – überlagert, klagen rote und schwarze Strategen. Daher sei es besser, wenn die Länder, in deren Kompetenz die Mindestsicherung ja fällt, nun autonom Regelungen beschließen.

Die Generalsekretäre der Regierungsparteien gaben jedenfalls jeweils der anderen Seite die Schuld am Scheitern. Stöger habe "wie ein Amateur verhandelt und wie das hauptbetroffene Wien keinen echten Reformwillen gezeigt", sagte ÖVP-Politiker Werner Amon. Sein rotes Pendant Georg Niedermühlbichler warf den Schwarzen vor, alles dem Ziel untergeordnet zu haben, "eine Lösung zu torpedieren".

Nicht mit Wertevorstellungen vereinbar

Kern hatte zuvor deponiert, dass die ÖVP-Forderungen nicht mit seinen "Wertevorstellungen" vereinbar seien. Wenn man die Leistungen für Asylberechtigte so weit runterkürze, dass sie davon nicht mehr leben können, treibe man "die Menschen in die Kriminalität", so seine Kritik.

Nun werden jedenfalls in den Ländern eigene Regelungen vorbereitet, was für ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner kein Problem darstellt: "Das spiegelt auch die unterschiedliche Lebenskultur in Österreich wider." Er kann sich vorstellen, "dass man sich das ein Jahr anschaut", um danach etwaige Konsequenzen zu ziehen.

Lokales Feilschen

Niederösterreich wird bereits kommende Woche ein Modell beschließen, das eine Deckelung bei 1.500 Euro für Mehrkindfamilien sowie eine Wartefrist vorsieht. Wer in den letzten sechs Jahren weniger als fünf Jahre in Österreich gelebt hat, soll nur eine Mindestsicherung light (520 Euro für Alleinstehende) bekommen.

In Oberösterreich wurde bereits im Sommer eine Schlechterstellung von Asylberechtigten beschlossen. Damit künftig wegen größerer Leistungsunterschiede nicht innerstaatliche Wanderungsströme entstehen, prüft Wien – hier leben mehr als die Hälfte aller Mindestsicherungsbezieher – nun Einschränkungen beim Antragsrecht. Wer aus einem anderen Bundesland umzieht, könnte demnach nicht sofort einen Antrag auf Mindestsicherung stellen. Details dazu liegen aber noch nicht vor, heißt es im Büro von Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ). Aber: "Es wird nicht gehen, dass sich alle an Wien abputzen", so Wehsely.

Inhomogen

Homogen sind die Vorstellungen aber weder in den ÖVP- noch in den SPÖ-regierten Ländern. Im Westen – hier regiert die ÖVP mit den Grünen – gibt es Bestrebungen, zumindest eine regionale Abstimmung vorzunehmen.

Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) wiederum ist, im Gegensatz zur Bundes-SPÖ, neben einer Deckelung auch für eine Wartefrist für Zuwanderer. Er will nun mit seinem Koalitionspartner, der FPÖ, ein konkretes Modell erarbeiten.

"Nicht fair"

Niessl will sich auch dafür einsetzen, dass der Bund auch ohne österreichweit einheitliche Regelung einen Teil der Krankenversicherungskosten der Mindestsicherungsbezieher übernimmt. Aktuell zahlt das Sozialministerium rund 50 Millionen Euro. Diese Regelung ist aber an den aktuellen Bund-Länder-Vertrag gebunden und läuft mit Jahresende aus.

Stöger lehnte es zunächst ab, den Ländern weiter einen Zuschuss zu gewähren, wie er am Mittwoch versicherte. "Es ist die Verantwortung der Länder, dafür zu sorgen, dass diese Personengruppe versichert ist." Das wurde von Niessl als "nicht fair" bezeichnet. Auch Wiens Bürgermeister Michael Häupl hatte bereits vor den drohenden Mehrkosten bei der Krankenversicherung gewarnt.

Schließlich lenkte Stöger dann doch ein. Er kann sich nun eine gesetzliche Pflichtversicherung für alle Mindestsicherungsbezieher vorstellen. Im Gegenzug könne der Bund weiter einen Teil der Kosten übernehmen, hieß es in seinem Büro. (Günther Oswald, 9.11.2016)