Die Entwicklung des US-Wahltags hat alles über den Haufen geschmissen – und die Aktienmärkte in den Keller geschickt.

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Europas Börsen erholten sich nach Anfangsverlusten.

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Nicht nur die Meinungsforscher lagen daneben, auch die Börsen. Nach der Einstellung der FBI-Ermittlungen gegen Hillary Clinton hatten die Märkte am Montag noch tief durchgeatmet und stark zugelegt. Es schien sich abzuzeichnen, dass der Demokratin der Sieg bei der US-Präsidentschaftswahl nicht mehr zu nehmen sein würde. Doch die Entwicklung des Wahltags hat alles über den Haufen geschmissen – und die Aktienmärkte in Atem gehalten.

Nicht nur das: Der Dollar fällt, der mexikanische Peso stürzt auf ein historisches Tief ab, Goldkurs und Staatsanleihen – sie gelten als sicherer Hafen in Zeiten von Turbulenzen – legten anfangs massiv zu. Warum eigentlich? Immerhin bringt Trump vieles mit, was Börsianer üblicherweise entzückt: Steuersenkungen, Finanzmarkt-Deregulierung, Rückbau des Staates, beispielsweise bei Umweltschutz und Gesundheitsversorgung (Stichwort: Obamacare).

Gift für die Weltwirtschaft

Trump hat aber auch zahlreiche Maßnahmen angekündigt, die Gift für die Weltwirtschaft sind: die Einführung von Handelsschranken, einen wirtschaftspolitischen Isolationismus. Das könnte, befürchten Ökonomen wie jene des französischen Kreditversicherers Coface, die USA in eine Rezession stürzen und die Weltwirtschaft stark belasten. Und noch etwas lässt die Sorgenfalten wachsen: Trumps Unberechenbarkeit. Nichts fürchten die Märkte mehr als Unsicherheit.

Was Börsianer zusätzlich bewegt: Sie bevorzugen eine ausgewogene Balance zwischen Weißem Haus und Kongress. Nun wird Trump Präsident und die Republikaner dominieren künftig beide Kammern.

Japan eröffnet den Reigen

All diese Befürchtungen wurden am Mittwoch Realität – zumindest vorübergehend. In Japan krachte der Nikkei-Index um fünf Prozent nach unten. In ganz Asien war der Rückgang aber mit rund zwei Prozent deutlich moderater. Gold legte um drei Prozent zu, die Ölkurse gaben deutlich nach, um sich rasch wieder zu erholen. Der mexikanische Peso, der sich zuletzt zum Trump-Barometer gemausert hat, steuerte auf den größten Tagesverlust seit 22 Jahren zu. Die Währung reagiert besonders sensibel, da Trump unter anderem Strafzölle auf mexikanische Waren plante und an der Grenze eine Mauer bauen will.

In Europa gingen die Aktienkurse in der Früh ebenfalls deutlich zurück, grenzten die Verluste aber rasch ein. Im Schnitt war es nur gut ein Prozent, das Europas wichtigste Aktien (gemessen am Eurostoxx-50) bis zum Nachmittag verloren.

Die Verluste an der New Yorker Wall Street hielten sich zu Handelsbeginn ebenfalls in Grenzen, nachdem sich die leichten Schockwellen des vorbörslichen Handels gelegt hatten.

Brexit-Parallelen

Aktienanalysten rechnen mit turbulenten Zeiten in den nächsten Tagen und Wochen. Es gibt aber auch Hoffnungsschimmer. Einige Experten ziehen Vergleiche mit dem Brexit. Das Votum der Briten für einen EU-Austritt hatte im Juni ebenfalls Schockwellen ausgelöst – freilich nur kurzzeitig. Mittlerweile haben die Märkte das Ergebnis des Referendums längst verdaut.

Der Präsident des Münchner Institut für Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest, warnt unterdessen vor einem Rückschlag für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland. "Wenn Trump die Handelsschranken durchsetzen könnte, die er angekündigt hat, wäre der Schaden groß. In Deutschland hängen 1,5 Millionen Arbeitsplätze vom US-Geschäft ab, die USA sind der wichtigste Handelspartner Deutschlands", sagte er laut Aussendung. (Andreas Schnauder, 9.11.2016)