Jerusalem – Eine bekannte Journalistin des israelischen Fernsehens hat über sechs lange Minuten eine Art Anklageschrift gegen sie aus dem Büro des Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu verlesen.

In dem Text mit beruflichen und persönlichen Angriffen wird Ilana Dayan vom sehr beliebten zweiten Privatkanal beschuldigt, zur "extremen Linken" zu gehören und über "kein Quäntchen professioneller Lauterkeit" zu verfügen. Außerdem warf ihr Netanyahus Büros demnach vor, den Sturz der rechtsgerichteten Regierung anzustreben.

Anschuldigungen

In einer Reportage am Montagabend hatte Dayan den Zuschauern einen Blick hinter die Kulissen von Netanyahus Amtssitz gewährt. Ihr Team schickte zu diesem Zweck 32 Fragen an das Büro des Regierungschefs. Auf die Fragen erhielt sie keine Antwort, aber ein langes Schreiben mit den Anschuldigungen gegen sie, wie sie am Dienstag im Armeeradio ausführte.

Sie habe beschlossen, das Schreiben vollständig zu verlesen, weil es alles über die in der Reportage berichtete Funktionsweise von Netanyahus Büro zeige, sagte Dayan. In der Reportage wurde berichtet, dass ein ehemaliger Vizechef des israelischen Geheimdienstes Mossad einen Leitungsposten nicht bekam, weil er seine Loyalität zu Israel, nicht aber zu Netanyahu persönlich erklären wollte.

Uzi Arad, ehemaliger nationaler Sicherheitsberater, berichtete in dem Beitrag, eine Reise Netanyahus nach Deutschland sei auf Betreiben von dessen Frau Sara Netanyahu gestrichen worden.

Die Zeitung "Yedioth Ahronoth" schrieb, Dayan sei nun auf der "langen Liste der Medienmitarbeiter, die gewagt haben, ihre Arbeit zu machen" und deshalb in Netanyahus Augen zu "Feinden Israels" geworden seien. Der ehemalige Ministerpräsident Ehud Barak von der oppositionellen Arbeitspartei schrieb auf Twitter, Netanyahu habe "vollständig den Verstand verloren". (APA, 8.11.2016)