Ungarns Premierminister Viktor Orbán (re.) und sein Vize Zsolt Semjén bei der Abstimmung im Parlament, wo die geplante Verfassungsänderung gegen die EU-Quotenregelung durchgefallen war.

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Ungarns Regierungschef Viktor Orbán ist mit seinem Vorhaben, die Ablehnung von EU-Quoten für Asylbewerber in der Verfassung zu verankern, gescheitert. Bei der Abstimmung im Parlament kam am Dienstag die erforderliche Zweidrittelmehrheit nicht zustande. Nur die 131 Abgeordneten der Regierungspartei Fidesz stimmten diszipliniert und geschlossen für Orbáns Vorlage. Die demokratische Opposition blieb dem Votum weitgehend fern, ihre drei anwesenden Parlamentarier stimmten dagegen.

Doch entscheidend war, dass der gelegentliche Bündnisgenosse des Orbán-Lagers, die rechtsextreme Jobbik ("Die Besseren"), diesmal die Zustimmung verweigerte. Das lag nicht am Inhaltlichen: Fidesz und Jobbik überbieten sich gegenseitig in ihrer Flüchtlingsfeindlichkeit, beide Parteien buhlen um die Sympathien des rechten Wählersegments in Ungarn. Die Verfassungsänderung hätte statuiert, dass niemand am ungarischen Gesetzgeber vorbei fremde "Bevölkerungen" in Ungarn "ansiedeln" darf.

Insofern hätte die Grundgesetzesnovelle keinen wirklichen Widerspruch zum EU-Recht erzeugt. Denn die Quoten der EU beziehen sich nicht auf die "Ansiedlung" von anerkannten Flüchtlingen, sondern auf die Verteilung von Asylbewerbern – vor allem, um Erstankunftsländer wie Italien und Griechenland zu entlasten. Auf Ungarn würden nach den bisherigen Beschlüssen 1.300 Asylsuchende entfallen, wogegen sich die Budapester Regierung sträubt. Die Quotenzuteilung ist aber keine "Ansiedlung", weil über das weitere Schicksal der zugeteilten Asylbewerber das betreffende Land gemäß den eigenen Gesetzen entscheidet.

Jobbik-Bedingungen

Die Jobbik, die sich seit zwei Jahren ein moderateres Erscheinungsbild zu geben trachtet, hätte sich auf die recht bedeutungslose Verfassungsänderung eingelassen, formulierte aber ihre eigenen Bedingungen.

Jobbik-Chef Gábor Vona verlangte, dass die Orbán-Regierung die sogenannten "Niederlassungsobligationen" abschafft, mit deren Hilfe sich reiche Nicht-EU-Ausländer ein unbeschränktes Niederlassungsrecht im Schengenland Ungarn erkaufen können. Die Prozedur ist so konstruiert, dass der ungarische Staat materiell nichts davon hat, weil die gesamten Provisionen und Gewinne über diverse abwickelnde Agenturen in die Taschen von Orbán-Günstlingen wandern.

Orbán wollte sich nun wiederum nicht von der Jobbik "erpressen" lassen, auch wenn gemunkelt wird, dass der umstrittene Niederlassungshandel ohnehin demnächst abgestellt wird. So ging er mit offenem Visier in eine Abstimmung, von der er wusste, dass ihm zwei Stimmen fehlen würden, wenn Jobbik-Chef Vona den Fraktionszwang durchsetzt.

"Heimat verraten"

Vordergründig ist der ungarische Premier nun zum zweiten Mal in sechs Wochen mit einem "Flüchtlingsthema" gescheitert. Die Volksabstimmung am 2. Oktober ging daneben, weil das erforderliche Quorum nicht zustande kam. Sie hatte sich gegen die "verpflichtende Ansiedlung" von Flüchtlingen und sinngemäß gegen die EU-Asylbewerber-Quoten gerichtet.

Die Parlamentsschlappe kam aber für das Orbán-Lager nicht unerwartet. Da es an der Jobbik gelegen hätte, die nötige Mehrheit zu beschaffen, wird man sich nun zurücklehnen und genüsslich darauf verweisen, dass der ultrarechte Rivale "die Heimat verraten" habe. (Gregor Mayer aus Budapest, 8.11.2016)