Dündar (li.) übergab Gauck ein Exemplar seines Buches.

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Berlin/Ankara – Deutschland hat Kritikern der türkischen Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan Asyl angeboten. "Deutschland ist ein weltoffenes Land und steht allen politisch Verfolgten im Grundsatz offen", sagte Außenstaatssekretär Michael Roth der Zeitung "Welt". Das Recht auf Asyl gelte nicht nur für Journalisten, darüber entschieden die zuständigen Behörden. "Alle kritischen Geister in der Türkei sollen wissen, dass die Bundesregierung ihnen solidarisch beisteht." Es gebe bereits verschiedene Programme, die auch türkischen Wissenschaftern und Journalisten offenstehen.

Die EU-Staaten wollen an den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei vorerst trotzdem festhalten, obwohl sie die Entwicklung dort als "äußerst besorgniserregend" bezeichnen.

Gauck empfing Can Dündar

Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck hatte zuvor dem früheren Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet", Can Dündar, bei einem Treffen in Berlin die deutsche Unterstützung für die demokratischen Kräfte in der Türkei zugesichert. Gauck betonte bei der eineinhalbstündigen Begegnung im Schloss Bellevue seinen Respekt für die Arbeit und das Engagement Dündars, der wegen seiner drohenden Inhaftierung in der Türkei seit dem Sommer in Deutschland lebt.

Er sei tief besorgt über den Weg der Türkei und die Lage der Opposition in dem Land, sagte Gauck. Die türkische Polizei hatte vor einer Woche den derzeitigen "Cumhuriyet"-Chefredakteur Murat Sabuncu und weitere Mitarbeiter verhaftet.

Dündar verlangt mehr Einsatz für die Demokratie

Dündar hatte danach die aus seiner Sicht zunächst unzureichende deutsche Reaktion kritisiert und von den europäischen Regierungen mehr Einsatz für die Demokratie in der Türkei verlangt. Gauck hatte sich am Wochenende im "Spiegel" mit deutlicher Kritik an der türkischen Politik zu Wort gemeldet.

EU "sehr besorgt"

Die EU ruft die Türkei unterdessen dazu auf, "zu einem glaubwürdigen politischen Prozess" zurückzukehren, die Demokratie zu wahren und Menschenrechte zu respektieren, teilte EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini im Namen der 28 Mitgliedsstaaten mit. Die Situation werde weiter sehr aufmerksam verfolgt und bewertet. Man sei bereit, den politischen Dialog "auf allen Ebenen und innerhalb des bestehenden Rahmens" fortzuführen, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme. (APA, 8.11.2016)