Will man es sich leichtmachen, dann ist das Urteil über den neuen Finanzausgleich rasch gefällt: Gemessen an den eigenen Ansprüchen ist Finanzminister Hans Jörg Schelling kolossal gescheitert. "Aufräumen" wollte der Ankündigungsweltmeister das System – und hinterließ nach eineinhalbjährigen Verhandlungen das gleiche Durcheinander bei der Verteilung des Steuergeldes zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, wie es seit Ewigkeiten besteht. Am von Schelling wortgewaltig beklagten Kompetenzwirrwarr hat sich praktisch nichts geändert.

Der einzige diesbezügliche Fortschritt existiert lediglich als Absichtserklärung. Das Geld für die Kindergärten soll künftig nicht mit der Gießkanne, sondern gemäß den tatsächlich erbrachten Leistungen verteilt werden – doch fix ist gar nichts, über die Kriterien wird erst einmal ein weiteres Jahr verhandelt. Dass damit – wie Schelling tönt – der "Einstieg in den Umstieg" auf ein gerechteres System gelungen sei, ist eine kühne Übertreibung. Die Länder haben dem Finanzminister vorerst nicht die Tür vor der Nase zugeschlagen, mehr hat er noch nicht erreicht.

Ähnliches gilt für die Abgabenautonomie, die Landesregierungen zu einem sparsameren Umgang mit Steuergeld erziehen soll. Die Wohnbauförderungsbeiträge, deren Höhe die Länder nun in Eigenregie bemessen dürfen, sind eine vernachlässigbar kleine Spielwiese, spürbare Auswirkungen dürften sich in Grenzen halten. Wirklich schade ist es darum zwar eh nicht, weil ein Ausbau der Ländersteuern Nebenwirkungen wie einen schädlichen Steuerwettbewerb und noch mehr bürokratischen Aufwand birgt. Doch aus der Perspektive Schellings muss die Bilanz auch hier lauten: viel angekündigt, wenig eingelöst.

Ist der als Reformer angetretene Schelling also in die Knie gegangen? Wer mit dem Finger auf den ÖVP-Politiker zeigt, sollte eines bedenken: Die Möglichkeiten des Finanzministers sind, so mächtig er erscheinen mag, begrenzt. In der öffentlichen Debatte gibt es eine gewisse Sehnsucht nach dem mutigen Macher, der auf den Tisch haut und Landesfürsten die Stirn bietet, doch der Wunsch nach dem harten Durchgreifen kollidiert mit der Realität. Die Bundespolitiker von SPÖ und ÖVP sind auf gutes Einvernehmen mit ihren regionalen Statthaltern angewiesen, sonst droht innerparteiliche Obstruktion bei Kampagnen und Abstimmungen im Parlament. Auch die Bundesregierung kann angesichts der vielen Verflechtungen auf Dauer nicht gegen renitente Landeshauptleute regieren.

Wenn die Regierung in dieser Konstellation größere Reformen gegen Länderinteressen durchsetzen kann, dann nur mit einer gut vorbereiteten, gemeinsamen Agenda, die sie ge- und entschlossen bewirbt. Je stärker der öffentliche Rückhalt, desto schwerer fällt Blockierern der Widerstand.

Einzelkämpfer hingegen rennen unweigerlich gegen die Wand. Finanzminister Schelling mag sich dessen bewusst sein – doch dann sollte er nicht der Versuchung erliegen, in seiner Macherpose die überzogenen Erwartungen ständig zu nähren. (Gerald John, 7.11.2016)