Eine unreflektierte, allzu rasche Umsetzung der Schulautonomie kann das Wachstum der personalen Autonomie der Lehrerinnen und Lehrer gefährden.

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Direktorinnen und Direktoren müssen nun auch mehr Macht managen. So sollen sie über Lehrpersonal und Lehrplan letzt- oder mitentscheiden.

Die Richtung stimmt, die Rechnung könnte aufgehen – sofern sich die angestrebte Autonomie nicht nur über Rechte, sondern auch über ein gelebtes Bekenntnis zur Bedeutung des reflektierten Umgangs mit der wachsenden Verantwortung definiert. Gefragt ist mündiger Umgang mit Macht.

Autorität des Amtes

Klar ist: Eine Entwicklung, die oberflächlich die Autorität des Amtes stärkt, ohne den Aspekt der personalen Autonomie jedes Einzelnen allererstens zu bedenken, entartet rasch zu Machtmissbrauch: Wer gefällt, wird genommen. Wer gefällt, findet Gehör.

Anbiederung aber hat mit Autonomie nichts zu tun – schon gar nicht im Lehrberuf: Ein guter Lehrer will nicht gefallen, geht mutig seinen Weg und hat sich längst befreit von "Strebertum, Augenblickserfolg und Effekthascherei" (vergleiche dazu Alfred Petzelt, Grundzüge systematischer Pädagogik, 1964). Vor diesem Hintergrund kann unreflektierte, allzu rasche Umsetzung der Schulautonomie das Wachstum der personalen Autonomie der Lehrerinnen und Lehrer – und damit die angestrebte Verbesserung der Unterrichtsqualität – gefährden.

Vorschnelle Bewertung

Und weiter: Schulautonomie ohne gereifte personale Autonomie verleitet zu vorschneller Bewertung und Verschärfung längst zu überdenkender Schwarzweißmalerei:

Passt die zu uns? Unterrichtet er wie wir? Die Verlockung zur raschen, unreflektierten Ein- und Zuteilung verführt. Differenzierte Betrachtung pädagogischer Professionalität und diskursive Auseinandersetzung mit dem Anderen treten möglicherweise hinter persönliche Vorlieben und Belange. Zu wenig könnte bedacht werden, dass mitunter gerade die oder der Unpassende der Weiterentwicklung den Weg ebnet.

Fliegen lernen

Fazit: Schulautonomie braucht mündige Menschen, die sich selbst in die Pflicht nehmen und im Kant'schen Sinn selbst Gesetz geben. Die bereit sind, moralisch motiviert zu handeln, auch wenn menschliche Maxime locken.

Oder, anders: Wenn uns Flügel geschenkt werden, müssen wir fliegen lernen und mutig unserem Flug Richtung geben. Dieser Prozess braucht Zeit und darf dauern. Und derweil kann ein Leuchtturm Orientierung schenken und Zwischenlandung ermöglichen. (Andrea Vanek-Gullner, 21.11.2016)