Würde in vier Wochen nicht endlich ein neuer Bundespräsident gewählt, stünde vermutlich ein anderer Wahltermin auf dem Kalender: Hätte die Bundespräsidentenwahl nicht in den Advent verschoben werden müssen, würde an diesem Datum möglicherweise die vorgezogene Nationalratswahl stattfinden. Vor allem in der SPÖ war ernsthaft mit diesem Termin spekuliert worden, ehe die Klebepanne diesen Überlegungen einen Strich durch die Rechnung machte.

Jetzt wird ein anderer Termin quer durch alle Parteien diskutiert: Es ist der dritte Sonntag im Mai, an dem die Österreicher erneut zu den Urnen gerufen werden könnten, um ein neues Parlament und damit eine neue Bundesregierung zu wählen. Die Vorbereitungen dafür sind bereits angelaufen.

Die rot-schwarze Koalition ist erledigt. Besonders deutlich sichtbar wird der jämmerliche Zustand anhand des würdelosen Gerangels um eine einheitliche Neuordnung der Mindestsicherung. Hier legt vor allem die ÖVP eine Obstruktion an den Tag, wie sie selbst für rot-schwarze Gepflogenheiten ihresgleichen sucht. Der Zerstörungswille, mit dem die subversiven Kräfte in der ÖVP jegliche Einigung zu verhindern versuchen, grenzt in seinem sturen Vorsatz an Bösartigkeit.

Der Countdown zu jenem Tag, an dem Bundeskanzler Christian Kern oder Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (oder wer auch immer dort die Entscheidung treffen wird) sagen müssen wird, dass es nicht mehr geht, läuft unerbittlich. Auch wenn sich beide fragen müssen, was danach denn besser werden soll.

In allen Umfragen liegt derzeit die FPÖ deutlich in Führung. Sie kann aus jetziger Sicht mit einem Ergebnis jenseits der 30 Prozent rechnen. Nimmt man die Werte quer durch alle Umfrage und addiert den Optimismus, den Kern selbst in dieser Frage an den Tag legt, kann die SPÖ bei voller Mobilisierung auf ein Ergebnis von 30 Prozent kommen. Die Chance, dass die SPÖ bei einer Wahl im Mai vorn ist, liegt bei 50 Prozent, höchstens, da schwingt viel rote Hoffnung mit.

Das könnte auch vom Ausgang der Bundespräsidentenwahl am 4. Dezember abhängen. Verliert Norbert Hofer, könnte das den Höhenflug der FPÖ zumindest bremsen. Eine solche Wahlniederlage würde am Siegernimbus der Freiheitlichen und ihres Chefs Heinz-Christian Strache schwer kratzen. Abgesehen davon hat der überlange Hofburgwahlkampf auch die finanzielle Schlagkraft der FPÖ einigermaßen eingeschränkt.

Da gibt es viele Wenn und Aber, das meiste bleibt im Konjunktiv. Dennoch: Kern hat eigentlich gar keine andere Wahl, als das Risiko einzugehen. Jede weitere Woche des rot-schwarzen Herumgemurkses zieht auch ihn hinunter und schwächt seine Partei.

Und die ÖVP? Ein Rätsel. Selbst mit dem Turboeffekt, den ein Spitzenkandidat Sebastian Kurz zu entwickeln vermag, ist ein zweiter Platz angesichts des Zustands der Partei höchst unwahrscheinlich. Geschweige denn der erste Platz. Aber offenbar scheint auch ein Vizekanzler in einer blau geführten Koalition eine Option zu sein.

Kern gegen Strache gegen Kurz, das wird jedenfalls ein Wahlkampf, der an Härte und Dramatik nichts zu wünschen übrig lassen wird – und die übrige Opposition aufreiben wird. Dann werden wir sehen: Sollte Kern den ersten Platz für die SPÖ verteidigen können, hätte er immer noch keinen tauglichen Koalitionspartner. Aber das diskutieren wir im Frühjahr. (Michael Völker, 6.11.2016)