Paris will mit Selbstironie punkten. Britische Firmen sollen die Frogs, wie die Franzosen gerne auf der Insel genannt werden, doch einmal ausprobieren.

Foto: Paris La Défense

Der Frosch – das heißt für die Engländer der Franzose schlechthin – entdeckt den britischen Humor. In einem Werbeplakat für Auswanderer der Londoner City fragt das grasgrüne Reptil mit der Krawatte in den französischen Landesfarben: "Tired of the fog? Try the frogs!" Zu Deutsch: "Des Nebels überdrüssig? Versuchen Sie es doch mit den Fröschen!"

Der Slogan stammt aus einer im Oktober lancierten Werbekampagne des Pariser Geschäftsviertels La Défense, das noch Bürofläche an Brexit-Flüchtige zu vermieten hat. Am Donnerstag eröffnete der französische Premierminister Manuel Valls zu diesem Zweck einen "Einheitsschalter" in Paris. Vorerst sechs Angestellte sollen Firmen aus Großbritannien "den blau-weiß-roten Teppich ausrollen", erklärte die Vorsteherin der Agglomeration Paris, Valérie Pécresse. Sie erteilen Firmen- und Personalchefs Auskunft in Steuer-, Personal- und Bürofragen; Einzelangestellte unterstützen sie sogar bei der Einschulung ihrer Kinder oder der Jobsuche des Ehepartners.

Paris hat nach dem Brexit-Entscheid im Juni sehr schnell reagiert, um ökonomische Inselflüchtige oder auch EU-Behörden wie die Arzneimittelagentur oder die Bankenaufsicht von der Themse an die Seine zu locken. Die Steuererleichterungen für "Expats" (Expatriierte aus dem Ausland) wurden kürzlich von fünf auf acht Jahre verlängert. Und vor allem hat die Nationalversammlung in der ersten Lesung der aktuellen Budgetdebatte den Unternehmenssteuersatz von 33 auf 28 Prozent gesenkt.

Hoffen auf neue Jobs

Der hochpolitische Entscheid muss noch in zweiter Lesung bestätigt werden. Valls und Pécresse riefen die Abgeordneten deshalb auf, die patriotischen Bemühungen der "Froggies" nicht zu hintertreiben. "Die Parlamentsmehrheit muss unsere Entscheide unbedingt begleiten", appellierte Valls vor allem an den linken Flügel seiner Sozialistischen Partei. Dort fragen viele, warum sie die Steuern gerade für ein paar hypothetische City-Broker senken sollen.

Der Vizepräsident der Wirtschaftsregion Paris, Jérôme Chartier, rechnet mit bis zu 30.000 Jobs, die von London zu "erben" seien. Der Ökonom Marc Touati warnt allerdings vor überzogenen Erwartungen: Die französische Wirtschaft gelte mit ihren hohen Steuersätzen, rigiden Arbeitsgesetzen und bürokratischen Auflagen nicht gerade als Magnet für Finanzinvestoren.

"Brexit-Botschafter"

Ross MacIness, der Verwaltungsratspräsident des französischen Luftfahrt- und Rüstungskonzerns Safran und seit Donnerstag offizieller "Botschafter" der Pariser Brexit-Lockpolitik, verweist hingegen auf die gute Infrastruktur, das hohe Bildungsniveau und das spezielle Lebensgefühl in Paris. In die Lichterstadt reise man immer gerne, fügte der Frankoaustralier etwas herablassend an die Adresse jener Stadt an, die ähnliche Brexit-Pläne verfolgt: "Hand aufs Herz, wann haben Sie zuletzt ein Weekend in Frankfurt organisiert?" (Stefan Brändle aus Paris, 7.11.2016)