Am Freitag Abend demonstrierten in Wien HDP-Anhänger gegen die Verhaftungen in der Türkei.

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Brüssel – EU-Parlamentspräsident Martin Schulz will trotz scharfer Verurteilung der jüngsten Verhaftungswelle in der Türkei den Gesprächsfaden mit Ankara nicht abreißen lassen. In einem Telefonat mit dem türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim vereinbarte Schulz am Freitagabend, dass umgehend ein Konsultationsverfahren zwischen der türkischen Regierung und dem Europaparlament eingeleitet werden soll.

Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus dem Umfeld des deutschen Sozialdemokraten. So rasch wie möglich sollen nun Unterhändler beider Seiten in Ankara und Brüssel miteinander reden, bevor es zu einer weiteren Eskalation im Verhältnis der EU zu dem NATO-Partner Türkei komme. In diesem Format solle auch über das Schicksal einzelner verhafteter Oppositionspolitiker und Journalisten geredet werden – mit dem Ziel, diese Personen möglichst rasch freizubekommen, hieß es weiter.

"Harte Belastungsprobe"

In dem einstündigen Gespräch hätten sowohl Schulz als auch Yildirim ihre unterschiedliche Sicht auf die Vorgänge in der Türkei klar ausgesprochen. Schulz hatte ebenfalls am Freitag die Verhaftung der beiden Vorsitzenden der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP kritisiert. Damit entferne sich die Türkei weiter von demokratischen Prinzipien und stelle die Partnerschaft mit Europa auf eine harte Belastungsprobe. Zuvor hatte Schulz im Zusammenhang mit dem Vorgehen der türkischen Behörden gegen die türkische Tageszeitung "Cumhuriyet" erklärt: "Wo Pressefreiheit beschnitten wird und Journalisten in Angst leben, da ist die Demokratie am Ende."

S&P hebt Rating-Ausblick für Türkei auf stabil an

Die Ratingagentur S&P hat den Ausblick für die Kreditwürdigkeit der Türkei von negativ auf stabil heraufgestuft. Grund dafür sei die Einschätzung, dass die türkische Regierung an der Umsetzung wichtiger Wirtschaftsreformen festhalten werde, erklärte S&P am Freitag. Derzeit stuft die Ratingagentur die Kreditwürdigkeit der Türkei mit "BB" ein. Mit dem "stabilen" Ausblick muss die Türkei nun zunächst nicht mehr befürchten, binnen Monaten auch beim Rating herabgestuft zu werden.

Demirtaş: "Tage der Tyrannei" in der Türkei werden enden

Der verhaftete Vorsitzende der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP hat Widerstand gegen den "zivilen Putsch" von Präsident Recep Tayyip Erdogan angekündigt. "Angesichts unseres Widerstandes werden diese Tage der Tyrannei früher oder später enden", hieß es in einer von der HDP verbreiteten Botschaft von Parteichef Selahattin Demirtaş, die er über seinen Anwalt schickte. "Meine Kollegen und ich werden gegen diesen illegalen Putsch überall und in jeder Phase standhaft bleiben." Die HDP werde ihren "demokratischen Kampf" fortsetzen.

Spontandemo in Wien

Nach der Verhaftung von Abgeordneten der prokurdischen HDP in der Türkei hat es am Freitag in Wien eine spontane Solidaritätskundgebung gegeben. Bei der Demonstration vor dem Parlament waren nach Polizeischätzungen zunächst etwa 500 Personen dabei. Zu Zwischenfällen kam es nicht. Auf Twitter posteten Anwesende Bilder von Demonstranten mit Fahnen der HDP und Bildern des inhaftierten PKK-Chefs Abdullah Öcalan. (APA, 4.11.2016)