Hierzulande sind alleine in Sachen VW-Software-Schummelei 363 000 Fahrzeuge von Rückrufen betroffen. Bei insgesamt 60.000 Fahrzeugen wurde dieses Update bereits vollzogen. Sicherheitsrelevant sind diese Rückrufe aber nicht.

Wien / Bergisch Gladbach – Das prominenteste Opfer der jüngeren Vergangenheit ist Star Trek-Star Anton Yelchin. Der 27-jährige Hollywood-Schauspieler starb im Sommer an den Folgen eines Unfalls. Er wurde von seinem eigenen zurückrollenden Geländewagen erdrückt. Yelchins Modell war kurz davor von einer Rückrufaktion des Autokonzerns FiatChrysler betroffen. 800.00 Fahrzeuge mit Automatikgetriebe mussten in die Werkstatt. Der Grund: Für viele Fahrer war nicht klar, ob die Automatikschaltung auf Parkstellung steht oder nicht.

Rückrufe in der Autobranche sind immer öfter an der Tagesordnung. Nach einer neuen Studie des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach wird das Jahr 2016 nach 2014 als zweites Negativ-Rekordjahr in die Automobilgeschichte eingehen. Allein bis Mitte Oktober wurden nur in den USA mehr als 47,9 Millionen Pkws wegen Sicherheitsproblemen zurückgerufen, der zweithöchste Wert seit Erhebung der Daten.

Mängel bei 93 Millionen Autos

Damit waren in den vergangenen zehn Monaten fast dreieinhalb Mal mehr Fahrzeuge von Rückrufen betroffen, als neu zugelassen wurden. Die Rückrufquote entspricht 340 Prozent, im Vorjahr waren es 262 Prozent. Schon in acht der letzten zehn Jahre lag sie bei mehr als 100 Prozent. 93 Millionen Autos wurden in den USA in weniger als zwei Jahren wegen sicherheitsrelevanter Mängel in die Werkstätten beordert.

Studienleiter Stefan Bratzel warnt: "Wenn 14 von 16 Herstellern wegen sicherheitstechnischer Mängel mehr Fahrzeuge zurückrufen müssen, als sie im gleichen Zeitraum verkauft haben, ist das ein bedenkliches Qualitätsniveau." Außerdem stellten sicherheitsrelevante Mängel meist nur die "Spitze des Eisbergs" dar.

Was die Hersteller betrifft, so hatten Mazda (820 Prozent), Honda (611 Prozent), FiatChrysler (490 Prozent) und Nissan (478 Prozent) 2016 laut CAM die meisten Probleme. Wobei bei Honda 80 Prozent der Rückrufe auf fehlerhafte Airbags von Takata zurückzuführen sind. Der japanische Zulieferer spielt in einer eigenen, Liga: Weltweit wurden mehr als 100 Millionen Autos zurückgerufen, um defekte Airbags zu tauschen. Die Liste der Mängel, die Autobauern teuer kommen und Konsumenten lästige Werkstättenbesuche einbrocken, ist lang. Sie reicht von Motorhauben, die sich während der Fahrt öffnen, über Bremsschwierigkeiten, Defekten bei der Karosserie bis zu fehlerhaft montierten Gurten.

"Systemschwächen"

Mehr als 86 Prozent der sicherheitsrelevanten Mängel betrafen in den ersten zehn Monaten 2016 den Insassenschutz. Dafür verantwortlich waren nicht Takata-Airbags, so Bratzel. Sie führten aber zu einer Grundsatzüberprüfung der Insassenschutzeinrichtungen, die weitere Mängel offenbarte. Marken- und modellübergreifende Plattformstrategien, globale Produktionsnetzwerke und steigende globale Sensibilität verstärken das Problem.

Betroffen sind auch die deutschen Autobauer. BMW muss 950.000, VW und Daimler je rund eine Million Autos nachbessern. Auf die USA ist das Problem nicht beschränkt. 326 Rückrufaktionen verordnete die deutsche Behörde 2015 wegen Sicherheitsmängeln, 1,65 Millionen Autos waren laut dem deutschen Automobilprofessor Ferdinand Dudenhöffer betroffen. Für Dudenhöffer ein Beleg für die "Systemschwächen der Autobranche". (Regina Bruckner, 6.11.2016)