Zeit zu Gruseln: mit der entbehrlichen neuen Massenerscheinung marodierender Gruselclownhorden.

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Gründe zum Gruseln gab es vergangene Woche genügend: Halloween vor allem, mit der entbehrlichen neuen Massenerscheinung marodierender Gruselclownhorden. Einzig das Boulevardblatt "Österreich" war ob des hirnrissigen Trends überglücklich: Dort hob man nämlich gleich tagelang eine geschminkte Clownsfratze nach der nächsten aufs Titelblatt und ersparte sich so langwierige Überlegungen zum Blattaufmacher. Einfach immer dem Motto "Put first things first" folgen!

Gründe zum Gruseln könnte es auch in der kommenden Woche geben: Bei den amerikanischen Wahlen ist Donald Trump Hillary Clinton wieder gefährlich auf den Fersen. Wenn der Baumeister das Präsidentenamt gewinnt, könnte es, um das englische Wortäquivalent zu gruselig zu bemühen, ziemlich "grisly" werden.

Sich zu gruseln ist eine ambivalente Sache. Einerseits ist es kein angenehmes Gefühl, "Grausen, Furcht zu empfinden; ängstlich zu schaudern; sich vor etwas Unheimlichem oder Makabrem zu fürchten" (Dudens Gruseldefinition). Andererseits treibt das merkwürdige Phänomen der Angstlust Menschen dazu, den Grusel absichtlich zu suchen. Dieses Begehren stillt die Unterhaltungsindustrie gerne mit Gruselfilmen und Gruselgeschichten. Der Erfolg eines Stephen King lässt ermessen, wie ozeanisch tief die Lust am Grusel im Volke sein muss.

Ein eher randständiges Genre professioneller Furchterregung ist das "Grusical" (wer dächte hier nicht sofort an die "Rocky Horror Picture Show"), es wird gleichwohl in periodischem Abstand stets wieder exhumiert und führt dann ein kurzes Bühnendasein als Untoter.

Wer Schwierigkeiten mit dem Gruseln hat, lese Grimms "Märchen von einem, der auszog das Fürchten zu lernen". Dessen Held wird von seiner hartnäckigen Gruselunfähigkeit ("Ach, wenn mir nur gruselte!") erlöst, als ihm seine Frau einen Kübel mit kaltem Wasser und lebenden Gründlingen ins Bett schüttet ("Ach, was gruselt mir!"). Tatsächlich eine gruselige Vorstellung. Dagegen können selbst Horrorclowns und Donald Trump einpacken. (Christoph Winder, 6.11.2016)