L-förmig schmiegt sich das Hotel in die Landschaft, westlich des Hafens entstehen Seehäuser für private Eigentümer. SPÖ und Grüne bezweifeln, dass das Projekt wirklich so wirken wird.

Visualisierung: Architekten Halbritter & Hillerbrand

22 geplante Seehäuser können in Neusiedl erworben werden.

Visualisierung: Architekten Halbritter & Hillerbrand

Ein paar hundert Meter stadteinwärts wirkt die Gemeinde Neusiedl am See nicht überall pittoresk.

Foto: Kapeller

Die Betreiber des Hotelprojekts "Am Hafen" werben mit 360 Sonnentagen im Jahr. An diesem Tag scheint sie nicht. Herbert Halbritter bestellt im Uferlokal Mole West eine Melange. Der Neusiedler See ist in milchigen Nebel gehüllt. "Ich finde, es hat eine gewisse Sinnlichkeit", sagt er.

Geht es um die Region, gerät Architekt Halbritter schnell ins Schwärmen. "Dieser See hat es sich verdient, dass er das ganze Jahr über besucht wird." Aber man merkt ihm auch Verwunderung und Ärger an, wie die Diskussion über das Immobilienprojekt, dessen kreativer Kopf er ist, seit Wochen läuft: Grüne und SPÖ sehen im Bauvorhaben "Am Hafen" einen Etikettenschwindel, in Lokalmedien erscheinen kritische Berichte, und das Referat für Landesplanung in Eisenstadt prüft gerade die angedachte Hotelfinanzierung, das Modell "Buy to let".

Verwirklicht wird das ehrgeizige Konzept von der Neusiedl am See Projektentwicklung GmbH mit den beiden Geschäftsführern Wolfgang Gollner und Christian Wagner. Halbritter sagt, sein Architekturbüro Halbritter & Hillerbrand beschäftige sich wie Bürgermeister Kurt Lentsch (ÖVP) seit mehr als zehn Jahren damit. Ein komplexes Unterfangen: ein Bau am Ufer, in Unesco-Welterbe-Gebiet, zumal in der finanziell angeschlagenen Gemeinde Neusiedl am See.

Dass gebaut werden darf, steht zumindest fest. Geplant sind ein Hotel mit 68 Zimmern und in westlicher Nachbarschaft, getrennt durch einen Bootsliegeplatz, 22 Seehäuser.

Eigentum statt Ferienhäuser

Doch an den Seehäusern entzündet sich nun politischer Streit. Es geht um die Nutzung der wertvollen Häuser am Wasser. "Es war ganz klar von einem Seehotel mit dazugehörigen Apartmentanlagen die Rede", sagt Alexandra Fischbach, Grünen-Gemeinderätin in Neusiedl am See. Doch von Apartments zur touristischen Nutzung sei heute nichts mehr zu hören. "Was sich offensichtlich abspielt: Die Grundflächen der Seehäuser werden parzelliert und verkauft."

Halbritter, mit der Kritik konfrontiert, sagt: "Das war immer so ausgemacht, es ist nichts Neues." Aus der Verkaufsabsicht wird tatsächlich kein Geheimnis gemacht. Das beauftragte Maklerbüro Realitäten Ehrengruber bewirbt auf der Seite amhafen.at "Eigentumsgrund" , "am liebsten für immer". Halbritter ergänzt sogar: "Die Seehäuser dienen zur Querfinanzierung für das Hotel." Sprich: Die Erlöse für die 150 bis 190 Quadratmeter großen Luxusimmobilien sollen in den Bau nebenan fließen. Der Kaufpreis für ein Seehaus beginnt laut Makler bei 940.910 Euro.

Grüne: Das war anders ausgemacht

Aber auch Vizebürgermeisterin Elisabeth Böhm (SPÖ) erinnert sich anders. "Das sind jetzt parzellierte Häuser ohne Hotelcharakter. Es wurde einmal gesagt, die Seehäuser würden wie Hotelzimmer vermietet werden." Fischbach sagt: "Man fühlt sich als Gemeinderätin veräppelt." Die Stoßrichtung von SPÖ und Grünen: Eine ausschließlich touristische Nutzung des Areals würde auch anderen Betrieben in Neusiedl etwas bringen, stattdessen werde das knappe Ufer privatisiert.

Sind also zumindest mit dem Hotelbau alle einverstanden? Die Grüne Fischbach sieht die Dinge auch hier in falschen Bahnen. Auf amhafen.at wird ein Hotel mit Restaurant, Uferbar, Greißlerei, Sauna und Fitnessbereich angekündigt. "Gesprochen wurde vom Ziel, die Hotelgäste in die Innenstadt zu bringen", sagt Fischbach. "Wenn ich mir das jetzt anschaue, muss das Hotel niemand verlassen, man wird versorgt." Böhm ist auch wegen des "massiven Eingriffs in die Natur" gegen das Hotel.

Ehemaliger Umweltanwalt irritiert

Halbritter betont den touristischen Mehrwert und wie gut sowohl Hotel als auch Seehäuser sich in die Landschaft einfügen würden. Als Vorbilder nennt er den burgenländischen Streckhof und das Atriumhaus. Alle Objekte sollen ein extensives Gründach bekommen.

Brisanter als die Architektur der Seehäuser ist die Frage, wie viel Zeit die künftigen Eigentümer darin verbringen werden. Zentral dabei: Alle Flächen des Hafenprojekts sind als Baugebiet für Fremdenverkehrseinrichtungen gewidmet, kurz: BF-Widmungen. Rechtlich dürfen die 22 Seehäuser nur als Feriendomizile bewohnt werden.

Auf amhafen.at stehen dazu widersprüchliche Informationen, an einer Stelle "ganzjährig nutzbar", an anderer wiederum "als Wochenend- und Ferienhäuser". "Wenn die Projektbetreiber oder die Verkäufer suggerieren, dass ganzjähriges Wohnen am See möglich ist, ist das nicht in Ordnung", beschwert sich Hermann Frühstück, pensionierter Umweltanwalt des Landes Burgenland.

Land Burgenland prüft

Auch die Finanzierungsidee "Buy to let" ("Kaufen, um zu vermieten") löst Irritationen auf Gemeinde- und Landesebene aus. Interessierte sollen bestimmte Zimmer in dem Hotel am Ufer kaufen können. Den Großteil der Zeit werden diese vom Hotelbetreiber klassisch an Gäste vermietet. Der Eigentümer darf sein Zimmer auch nutzen, wenngleich sehr eingeschränkt. Und er erhält Anteile an den Einnahmen des Hotels, die Rendite hängt vom Erfolg ab.

Ob das relativ neue Buy-to-let-Modell umgesetzt werde oder es doch – klassisch – einen Käufer des gesamten Hotels geben werde, sei noch gar nicht sicher, sagt Architekt Halbritter.

Umstritten ist die Idee in Neusiedl auch deshalb, weil manche fürchten, die Eigentümer der Hotelzimmer könnten – wie bei den Seehäusern – ständig am See wohnen. Auch das wäre wieder Wohnbau durch die Hintertür. "Wie will man die Nutzung des Hotelzimmers denn kontrollieren?", fragt Vizebürgermeisterin Böhm.

"Hotelbetrieb darf nicht abbröckeln"

Peter Zinggl, Hauptreferatsleiter für Landesplanung, bestätigt im Standard-Gespräch, dass seine Abteilung derzeit prüft, ob die Buy-to-let-Konstruktion im Konflikt zur touristischen Nutzung im Sinne des Landesentwicklungsprogramms (LEP) steht. Das LEP von 2011 hält unter anderem fest, Seeufer seien weitgehend von Verbauung freizuhalten. Touristische Nutzung geht vor Privatnutzung. "Es darf nicht eine Konstruktion herauskommen, dass ein Hotelbetrieb entsteht und dieser Stück für Stück abbröckelt und ein Bau mit Freizeitwohnungen übrigbleibt", sagt Zinggl.

Halbritter ist zuversichtlich, dass das Land "Buy to let" im Sinne der Projektbetreiber beurteilen wird. "Das ist überhaupt nicht so, dass sich jemand versteckt ein Apartment kauft und das ganze Jahr drin wohnt", das stehe klar in den Verträgen.

Um- und Neubauten am See

Bleibt noch ein landläufiges Streitthema: Parkplätze. Durch das Projekt "Am Hafen" würden den Neusiedlern 200 Parkplätze verlorengehen, sagt Vizebürgermeisterin Böhm. Halbritter bezweifelt diese Zahl derzeit verfügbarer Plätze und erwidert, es würden zwei Parkdecks gebaut werden. Mehr als die Hälfte der Stellplätze wolle man nicht Hotelgästen, sondern anderen Seebesuchern zur Verfügung stellen. Allerdings kostenpflichtig, wie er einräumt.

Nicht nur in Neusiedl, sondern vielerorts am Steppensee wird jedenfalls derzeit oder schon bald gebaut: In Jois wird die sogenannte "Inselwelt" erweitert, in Oggau entsteht ein Villenpark. Grunderneuert wird im Auftrag der Esterházy-Stiftung auch das Breitenbrunner Seebad, und Weiden bekommt ein neues Seerestaurant (dessen Pläne auch Halbritter zeichnet).

Erweiterung des Hotels möglich

Auch in Neusiedl gibt es bereits Pläne, die über Hotel und Seehäuser, die bis 2018 fertig sein sollen, hinausgehen. Es gebe, sagt Halbritter, die Idee, das benachbarte Hotelrestaurant Da Marco, einen in die Jahre gekommenen Bau von zweifelhafter Schönheit, zu kaufen und das neue Hotel zu erweitern. "Eine wichtige Größe bei Hotels sind 120 Zimmer", sagt Halbritter. Es dürfte auch nach 2018 noch einiges passieren am Ufer von Neusiedl. (Lukas Kapeller, 6.11.2016)