Der gute Rat für die Präsentation: "Lassen Sie Ihren Blick wandern, aber sprechen Sie vor allem zu den Menschen in der letzten Reihe, und Sie werden den ganzen Raum für sich einnehmen."

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Reden brillanter Rhetoriker ergreifen, berühren, beeindrucken. So mancher fragt sich nach einem gelungenen Vortrag der Kollegin vor der gesamten Belegschaft: Wie schafft sie das? Und gleich danach: Wie könnte ich das schaffen? Selbstbewusstsein bei Präsentationen sei trainierbar, sagt Mentalist Harry Lucas – vor allem aber könne man einige Vorkehrungen treffen, damit die Rede gut gelingt.

1. Entspannen!

"Ihre beste Präsentation halten Sie, wenn Sie entspannt sind", sagt Lucas. Am wohlsten fühle man sich meist zu Hause. "Dort wissen Sie, wo die Kaffeemaschine steht, Sie wissen, wo sich das Buch und die Couch befinden, wenn Sie entspannt lesen wollen." Um ein ähnliches Level an Entspannung und Vertrautheit bei der Präsentation herzustellen, müsse man sich auch jenen Raum vertraut machen, in dem man präsentiert.

Lucas: "Seien Sie am besten möglichst früh vor Ort. Gehen Sie den Raum ab. Setzen Sie sich an verschiedenen Stellen ins Auditorium. Fragen Sie sich, wie viele Plätze, Reihen oder Tische es gibt. Wie weit ist die letzte Reihe entfernt? Gibt es eine Bühne, ein Podium? Gibt es Stufen auf die Bühne? Wo genau stehe ich auf der Bühne? Wie viele Schritte Platz habe ich, um mich zu bewegen? Gibt es andere Gegenstände, die mich in der Bewegungsfreiheit einschränken, zum Beispiel ein Tisch, der hinter mir steht, ein Projektor oder die Musikinstrumente der Band, die nach mir spielt?"

2. Den Raum erkunden

Dann gelte es, seine Sinne zu schärfen und den Raum zu "erforschen", sagt Lucas. Das bedeute, sich zu fragen, was man "dort alles sehen und entdecken" kann. "Lassen Sie sich eine Minute Zeit dafür." Eine weitere Minute solle man dafür aufwenden, um die Geräusche im Raum wahrzunehmen. "Sind alle gleich laut, oder gibt es leisere? Gibt es an anderen Stellen unterschiedliche Geräusche?" Abschließend sei das "Schmecken" an der Reihe: "Atmen Sie mit geöffnetem Mund."

Durch diese Taktik könne es gelingen, "sich den Raum zu eigen zu machen" und seine Nervosität zu vergessen – weil die Aufmerksamkeit nach außen gerichtet ist. "Sie können locker und leicht auftreten", sagt Lucas.

3. Geschichten erzählen

Mitreißende Reden und Präsentationen würden im Vorhinein geschrieben, sagt Lucas. "Schreiben Sie Wort für Wort, was Sie sagen werden. Achten Sie darauf, den Inhalt in kurzen Sätze zu schreiben."

Schachtelsätze und andere komplizierte Konstruktionen funktionierten auf dem Papier, eigneten sich jedoch nicht für das gesprochene Wort. Daher: "Sagen Sie sich laut vor, ob Sie das auch tatsächlich so sagen würden, oder ob es 'geschrieben' klingt", empfiehlt der Performer. "Bleiben Sie einfach. Benutzen Sie sprachliche Bilder und Metaphern. Erzählen Sie eine persönliche Geschichte, ein Bonmot oder eine Anekdote, die einen Ihrer Punkte verdeutlicht. So wird diese eher im Gedächtnis bleiben – denn Menschen lieben Geschichten."

4. Üben, üben, üben

Ist die Rede fertig geschrieben, solle man sie sich selbst mehrmals laut vorsprechen. Man solle sich selbst dabei aufnehmen und analysieren: Wo hakt es? Was kann man kürzen? Wie kann man Dinge besser formulieren? "Sind Sie unzufrieden, üben Sie, bis in Ihrem Kopf eine Idee die andere ergibt und Sie locker und ohne nachzudenken von einem Punkt zum nächsten kommen", sagt Lucas. "Selbstsicherheit kommt von Vertrautheit. Dafür gibt es keine Abkürzung, die Sie schneller ans Ziel bringt."

5. Verkürzen, verdichten, aufschreiben

Sei man mit dem Schreiben fertig, gelte es, den Text in kurze Absätze und danach in kurze Sätze oder Stichwörter zu kürzen, die man auf Moderationskarten schreibt. "So wissen Sie immer, was Sie als Nächstes sagen wollen. Wer schon einmal mit Mindmaps gearbeitet hat, findet darin eine gute Alternative", sagt Lucas.

6. Auf Powerpoint verzichten

"Eine der schlimmsten Erfahrungen mit Powerpoint hatte ich auf einem Kongress", erzählt Lucas. "Die kleine Zahl unten in der Ecke schockierte mich wirklich, 1/62. 62 Powerpoint-Folien in 20 Minuten? Ich dachte, es muss sich um einen Scherz handeln, aber er meinte es ernst."

Powerpoint sei kein Ersatz für ein Skript und auch kein Teleprompter, von dem man den Text abliest – das müsse man immer im Hinterkopf behalten, sagt Lucas. "PP dient nicht zur eigenen Orientierung, sondern dem Publikum zur visuellen Unterstützung der Präsentation."

7. Mit Begeisterung anstecken

Manche Vortragende gehen auf dem Podium auf und ab – als wären sie Rockstars auf einer riesen Bühne. Keine gute Strategie, sagt Experte Lucas: "Selten haben Sie einhunderttausend Leute vor sich. Bleiben Sie ruhig stehen und überzeugen Sie mit Ihren Ideen. Sie werden umso größer wirken."

Verzichten solle man auch auf leere Phrasen und "Politiksprech" – "Sie lassen das Publikum geistig abschalten." Lucas zitiert Goethe ("Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube") und erinnert daran, dass man Menschen eher erreiche, wenn man meine, was man sagt. "Sprechen Sie mit dem Brustton der Überzeugung, und man wird an Ihren Lippen hängen. Begeisterung ist ansteckend."

8. Hände stillhalten

Vor anderen zu stehen schärfe die Wahrnehmung, sagt Lucas. "Uns fallen plötzlich Dinge auf, die sonst völlig unbeachtet bleiben – wie etwa unsere Gestik. Viele stellen sich dann die Frage: Was mache ich mit meinen Händen?" Am besten, man halte einfach etwas fest, wie beispielsweise die Moderationskarten, das Mikrofon oder ein Glas Wasser. "Alternativ halten Sie eine oder beide Hände entspannt auf Hüfthöhe vor Ihrem Körper."

Eine gute Übung für zu Hause bestehe darin, sich beim Sitzen auf seine Hände zu setzen. Zweiter Schritt: Zu trainieren, seine Gefühle, Stimmungen, und Gedanken nicht körperlich, sondern nur über die Stimme wirken zu lassen. "So verleihen Sie dem Gesagten mehr Ausdruck."

9. Den Blick wandern lassen

"Was die wenigsten wissen, ist, dass man als Vortragender auf einer großen Bühne vom Scheinwerferlicht oft so geblendet wird, dass man nur mehr die ersten Reihen sieht und sonst in einen schwarzen Raum schaut", so Lucas. "Sie könnten leicht verleitet sein, nur zu den Leuten zu sprechen, die Sie sehen, aber Sie würden dabei den Rest des Publikums vergessen und bald verlieren."

Hier mache sich ebenfalls das Abgehen des Raumes im Voraus bezahlt. Man wisse dann, wie groß er in etwa ist, wie viele Leute im Publikum sitzen, wo sich die hinterste Reihe befindet. Der gute Rat für die Präsentation: "Lassen Sie Ihren Blick wandern, aber sprechen Sie vor allem zu den Menschen in der letzten Reihe, und Sie werden den ganzen Raum für sich einnehmen." (lib, 29.11.2016)