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Bei Reisebüros kann sich das Wirtschaftsministerium vorstellen, von der Reglementierung abzugehen. Das kommt aber für die SPÖ nicht infrage. Sie fürchtet um den Konsumentenschutz.

Foto: DPA/Rumpenhorst

Wien – Bei der Reform der Gewerbeordnung verhandeln zur Stunde noch Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP). Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) sagte unterdessen vor Journalisten, dass die Begutachtung erst in den nächsten Tagen kommen werde. Ein Beschluss im Ministerrat am Mittwoch könnte also verschoben werden. Offen ist noch, ob nicht zumindest ein Entwurf mit den unstrittigen Teilen in Begutachtung geschickt wird.

Wie berichtet, herrscht bei der SPÖ Unzufriedenheit, weil Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) entgegen früheren Ankündigungen bei der Lockerung der reglementierten Gewerbe auf der Bremse steht. Derzeit gibt es 80 solcher Gewerbe, die nur nach Vorlage eines Befähigungsnachweises ausgeübt werden dürfen. Wie aus Verhandlerkreisen zu hören ist, wäre Mitterlehner, der in dieser Frage unter starkem Druck der Wirtschaftskammer steht, nur bei vier Gewerben zu einer Liberalisierung bereit gewesen: Reisebüros, Inkassoinstitute, Arbeitskräftevermittler und Arbeitskräfteüberlasser. In diesen Bereichen ist die SPÖ aber strikt gegen eine Lockerung: Sie sorgt sich um den Konsumentenschutz beziehungsweise um Arbeitnehmerrechte.

Leichterer Zugang

In anderen Bereichen hätten die Roten weniger Bedenken, die Reglementierung aufzugeben. Dem Vernehmen nach wurden der ÖVP 20 bis 30 Gewerbe genannt – unter anderem Glaser und Hohlglasschleifer, Buchbinder, Gärtner, Metalldesigner oder Dekorateure.

Zudem wäre bei einigen Gewerben aus Sicht der SPÖ zumindest ein leichterer Zugang angebracht: also Lehrabschlussprüfung plus einige Jahre Berufserfahrung statt Meisterprüfung als Voraussetzung. Dieses Modell kann man sich unter anderem für Bodenleger, Fußpfleger, Gebäudereiniger oder Lackierer vorstellen. Aber wie gesagt: Hier steht die ÖVP auf der Bremse. An der Meisterprüfung will man nicht rütteln.

SPÖ-interner Widerstand

Ganz unumstritten sind die Liberalisierungsüberlegungen aber auch SPÖ-intern nicht. Gewerkschafter Josef Muchitsch warnte am Wochenende vor negativen Auswirkungen auf die Lehrausbildung und generell die Qualität der Leistungen. Und Muchitsch gibt im STANDARD-Gespräch weiters zu bedenken: "Durch Liberalisierung entstehen vor allem Kleinbetriebe. Mehr Selbstständige heißt deshalb noch nicht mehr Beschäftigung." In SPÖ-Kreisen heißt es aber, man dürfe die Kritik des Gewerkschafters nicht überbewerten: "Wir würden das trotzdem machen." Nur eben: Mitterlehner müsse sich zuerst einmal gegen die Wirtschaftskammer durchsetzen.

Auf ihren Widerstand dürfte auch zurückgehen, dass sich in einem ersten Entwurf des Wirtschaftsressorts nichts von einem einheitlichen Gewerbeschein für alle freien Gewerbe – derer gibt es 440 – findet. Genau das hat der ÖVP-Chef aber selbst im Sommer angekündigt. Für die Kammer brächte ein zentraler Gewerbeschein finanzielle Einbußen – nach STANDARD-Kalkulationen um die 40 Millionen Euro jährlich. Denn: Die Grundumlage hängt von der Zahl der Gewerbescheine ab.

Künftig kostenlos online anmelden

Im Wirtschaftsministerium wird nun argumentiert, dass man die im Sommer mit der SPÖ vorbesprochenen Vorhaben auch anders erreichen könne. Da die Gewerbeanmeldungen künftig kostenlos online möglich sein sollen, werde das Ziel eines freien Anmeldens erreicht. Probleme mit mehreren Gewerbescheinen würden zudem reduziert. Geplant ist nämlich ebenfalls, dass man bis zu 15 Prozent des Umsatzes in einem anderen Gewerbe machen kann – ohne dass ein zweiter Gewerbeschein nötig ist. Ein Tischler könnte also auch Arbeiten wie Fliesenlegen mitanbieten – solange die Umsatzgrenze nicht überschritten wird. Und schließlich sei auch die geplante Freigabe von 19 bisher reglementierten Teilgewerben (hier gibt es einen vereinfachten Zugang) nicht zu unterschätzen, argumentiert das Mitterlehner-Büro.

Diese Punkte sind auch mit der SPÖ unstrittig. Selbiges gilt für Vereinfachungen im Betriebsanlagenrecht. So soll es künftig nur noch einen Bescheid für Bau-, Naturschutz-, Wasser- und gewerberechtliche Genehmigung geben. Betriebsanlagen mit geringem Gefährdungspotenzial – etwa Gasthäuser – sollen von den Bezirkshauptmannschaften künftig schneller genehmigt werden. (Günther Oswald, 1.11.2016)