Gemeinschaftsleistung: Beim gemeinsamen Grillen steht meistens nicht das Essen, sondern die Zubereitung im Mittelpunkt.

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Im neuen Feuerdorf am Wiener Donaukanal kann aus unterschiedlichen Grillthemen ausgewählt werden.

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Zugegeben, manchmal ist es schmerzhaft, Abschied zu nehmen. Die Verabschiedung des Sommers ist heuer besonders schwer gefallen, gab es doch – ob des wechselhaften Wetters – nicht ganz so viele Möglichkeiten, Freunde zum Grillen in den eigenen Garten einzuladen. Die wenigen Tage, an denen man Kurzgebratenes mit selbstgemachten Saucen und Salaten servierte, bleiben dem begeisterten Grillfan aber in guter Erinnerung und lassen ihn die Wartezeit auf den nächsten Sommer besser überstehen.

Während die halbvolle Gasflasche in vielen Haushalten im Keller verschwindet und der Sack mit den Grillanzündern für das Anfeuern des Schwedenofens verwendet wird, gibt es Menschen, für die Grillen keine Frage des Wetters oder der Jahreszeit ist. Vielmehr ist es eine Lebenseinstellung. Einmal Grillmeister, immer Grillmeister.

Zahl der Wintergriller steigt

Was man in Skandinavien bereits seit vielen Jahren praktiziert, wird auch hierzulande immer populärer. Wintergrillen heißt der Trend, der Bubenträume wahr werden lässt. Einerseits ist es das ach so besondere Grillaroma des Fleisches, andererseits ist es die Faszination, die das Feuer auf uns ausübt und uns – auch im Winter – wie die Motten zum Licht zieht.

Der Wiener Philosoph Gerhard Schwarz schreibt in einem seiner Bücher: "Das archaische Muster, beim Feuer gemeinsam zu essen, zieht sich durch die Kulturgeschichte der Menschheit. Gemeinsame Grillabende oder das Sitzen am Kaminfeuer sind bis heute beliebte und effiziente, gruppenbildende Maßnahmen. Bei Umfragen geben mehr als 65 Prozent aller Befragten an, dass sie gern im Haus eine offene Feuerstelle hätten." Dass man jetzt aber bei Minusgraden im Freien steht und sein Essen zubereitet, mag für viele befremdlich wirken, ist aber längst keine Seltenheit mehr. Die Zahl der Wintergriller steigt, das zeigt auch die Nachfrage nach eigenen Wintergrillbüchern und Seminaren.

Tom Heinzle betreibt in Mäder eine Grillschule und hat sich seit einiger Zeit auch auf Wintergrillkurse spezialisiert, die gut besucht sind. Der Unterschied zum Grillen im Sommer liege vor allem in der Produktauswahl. "Beim bewussten Grillen stehen die Produkte der Saison im Vordergrund. Im Winter grille ich gern rote Rüben, Steckrüben oder Kürbisse. Paprika würde ich im Winter nicht auf den Griller legen. Beim Wintergrillen sind die Speisen etwas deftiger. Dunklere Fleischsorten wie Rind oder Wild eignen sich hierfür sehr gut", sagt Heinzle, der viele seiner Rezepte in dem Buch "Wintergrillen" (Heel-Verlag) beschreibt.

Komfortgriller

Wer nicht gern mit Winterjacke und langer Unterhose im Schnee steht, kann neuerdings auf die softe Variante des Wintergrillens umsteigen. Am Wiener Donaukanal eröffnete heuer erstmals ein Feuerdorf mit mehreren Holzhütten, die man einzeln oder zusammen mieten kann. Bis zu 120 Personen finden in den Hütten Platz, in deren Mitte sich jeweils eine Feuerstelle befindet. Darauf darf dann bereitgestelltes Fleisch und Gemüse gegrillt werden. Wer lieber selbst entscheidet, was er auf die glühenden Kohlen legt, wird hier aber enttäuscht, es ist nicht erlaubt, selbst Mitgebrachtes zu grillen. Auch Getränke müssen vom Veranstalter gekauft werden.

Für den eingefleischten Grillmeister ist diese Art des Grillens, die eher an die in Friaul bekannten Fogolars erinnert, wahrscheinlich ohnehin nicht das Richtige, lässt er sich doch nicht gern bevormunden. Schließlich geht es darum, sein riesiges und noch blutiges Stück Fleisch todesmutig bei Minusgraden auf den heißen Rost zu legen und seine hungrige Familie zu ernähren, wenngleich der gedeckte Tisch und die wartenden Gäste nur wenige Schritte vom aufopfernden Grillmeister im Vorgarten entfernt sind.

Wind ist das Problem

Die richtige Vorbereitung ist aber auch beim Grillen das halbe Leben, weiß der US-Autor und Grillexperte Jamie Purviance. "Viele Leute denken, dass die Kälte ein Problem ist, wenn man im Winter grillt. Das größte Problem ist aber der Wind. Bläst der Wind in den Grill, verändert sich die Temperatur in wenigen Sekunden. Das macht das Grillen schwierig. Es ist wichtig, dass man es sich so angenehm wie möglich macht. Dazu gehört zum Beispiel, sich einen windgeschützten Ort zu suchen", sagt Purviance.

Auch seine Rezepte gibt es in Buchform unter dem Titel "Weber's Wintergrillen" (Verlag Gräfe und Unzer). "Die Faszination für das Feuer ist nach wie vor ungebrochen. Es gibt keine spannendere Zubereitungsart, als zu grillen, weil die Menschen ein Teil des Gerichts sind. Schließlich sind sie bei der Speisenzubereitung dabei", sagt Heinzle. Und obwohl das Interesse steigt, auch im Winter mit der Grillzange im Garten zu stehen – der Großteil der Hobbygriller tut das lieber in kurzen Hosen und ohne Winterschuhe. Worauf soll man sich denn sonst den ganzen Winter über freuen? Eben! (Alex Stranig, RONDO, 7.11.2016)