Kanzler Kern verlangt vom Innenminister Aufklärung über die Video-Geschichte.

Foto: APA/BKA/ANDY WENZEL

Wien – Im Kanzleramt herrscht Irritation über jenen vermeintlichen "Aufdecker", der zwei Videos von einer Geschwindigkeitsübertretung des Trosses von Kanzler Christian Kern auf der Südautobahn an mehrere Zeitungsredaktionen geschickt hatte. Es erscheint unwahrscheinlich, dass dieser "Peter", wie er sich im Mail bezeichnet, tatsächlich nur ein besorgter Bürger ist, der auf die "Vorbildfunktion" des Bundeskanzlers aufmerksam macht und mehr Disziplin im Straßenverkehr einfordert. Im Kanzleramt hegt man vielmehr den Verdacht, dass es sich bei er Veröffentlichung der Videos um eine gezielte politische Intrige handelt, die sich gegen Christian Kern richtet.

Der Verdacht: Das Video wurde nicht aus einem zufällig daherkommenden Fahrzeug aufgenommen, sondern wurde aus einem Zivilfahrzeug der Polizei heraus gemacht. In Frage kommen mehrere Dienststellen. Eine Analyse der Aufnahmen legt die Vermutung nahe, dass es sich bei dem nicht angeforderten Begleitfahrzeug um einen Wagen des steirischen Landesverfassungsschutzes handeln könnte. Was ein ungeheurer Verdacht wäre: Polizeibeamte, die den Kanzler in der Öffentlichkeit gezielt schlecht zu machen versuchen, würden das Vertrauen der Politik in die Exekutive massiv erschüttern.

Rückfahrt mit dem Kleinbus

Aufgenommen wurden die Videos am 4. Oktober, als Kern mit Begleitung bei der Landeshauptleutekonferenz in der Steiermark war. Auf der Rückfahrt mit einem Kleinbus, der von Personenschützern in einem zivilen Polizeifahrzeug eskortiert wurde, hat der Chauffeur des Kanzlers offenbar mehrmals die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten, unter anderem war er im Wechselgebiet in einer 80er-Zone 148 km/h gefahren, so scheint es zumindest das Video zu belegen.

Auf dem Video sieht man, wie neben dem Kanzlerfahrzeug ein Auto auftaucht, den Kleinbus sowie das Begleitfahrzeug filmt und schließlich überholt. Später wird erneut ein kurzes Video gemacht. Kanzler Kern ist dabei nicht direkt zu erkennen, er saß in der dritten Reihe des Kleinbusses. Wer auch immer das Video gemacht hat, wusste gut über den prominenten Passagier Bescheid.

Innenministerium dementiert

Wochen später wurden die Videos von einem anonymen Gmail-Konto verschickt. Klar ist, dass sie aus einem Audi heraus gemacht wurden, es gibt mehrere Indizien, die auf ein ziviles Fahrzeug der Polizei hindeuten.

Im Innenministerium wird das heftig dementiert. Es sei ausgeschlossen, dass es sich dabei um ein Polizeifahrzeug handle, im übrigen würde ein solches Vorgehen auch eine schwere Dienstrechtsverletzung darstellen, die Konsequenzen nach sich ziehen würde. Eine erste Überprüfung habe aber ergeben, dass der Verdacht unbegründet sei. Dass die offiziellen Personenschützer das Tempo des Kanzlerwagens mithielten, sei übrigens in Ordnung und rechtlich gedeckt.

Kern will die Gerüchte und den Verdacht jedenfalls in einem Termin noch diese Woche mit Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) ansprechen und auf Aufklärung drängen. An einer allfälligen Strafe nach einer Selbstanzeige seines Chauffeurs würde er sich finanziell beteiligen. (Michael Völker, 1.11.2016)