Kein Zweifel, es ist ein gefundenes Fressen für Donald Trump. Es fehlte ja nicht an Meinungsforschern, die dem Kandidaten der Republikaner schon zehn Tage vor der Wahl keine Chance mehr auf einen Sieg zubilligen wollten. Mit allem, was zuletzt über seinen Umgang mit Frauen ans Tageslicht kam, mit seiner Unfähigkeit, jenseits selbstgefälliger Sprechblasen Programme zu skizzieren, schien er auf eine Niederlage zuzusteuern. Manche schien nur noch zu interessieren, wie hoch sie ausfallen würde.

Abgesehen davon, dass es töricht ist, eine Wahl für gelaufen zu erklären, bevor sie überhaupt stattgefunden hat: Dank der überraschenden Intervention des FBI-Direktors James Comey hat Trump nun wieder einen Aufwind bekommen, mit dem er wohl selbst nicht mehr gerechnet hatte. Bis zum 8. November wird kein Tag mehr vergehen, an dem er die Sache mit Hillary Clintons E-Mails nicht als Beleg dafür anführen wird, wie korrupt und kriminell "das System" sei, dem er entschlossen den Kampf angesagt habe. Gerade weil die Öffentlichkeit keine Details kennt, kann Trump die Gerüchteküche so richtig zum Brodeln bringen – eine Kunst, auf die er sich bekanntlich bestens versteht. Und Comey muss sich vorwerfen lassen, dass er den Grundsatz verletzt, in seinem Amt strikte Neutralität walten zu lassen.

Mag sein, dass der FBI-Chef die Flucht nach vorn antrat, weil er glaubte, seine eigene Reputation schützen zu müssen. Mag sein, dass er sich nach dem Votum nicht nachsagen lassen will, Fakten unter den Teppich gekehrt zu haben, die für die Wählerentscheidung von Belang gewesen wären. Richtig ist auch, dass es die ganze Affäre nicht gäbe, hätte Clinton nicht einen fatalen Fehler gemacht. Hätte die damalige Außenministerin ihre digitale Dienstpost über den Amtsserver laufen lassen statt über einen privaten, gäbe es heute keine Ermittlungen. Dass sie sich derart leichtsinnig über die Vorschriften hinwegsetzte, ist umso unerklärlicher, weil sie damals schon gewusst haben dürfte, dass sie noch einmal einen Anlauf aufs Weiße Haus nehmen würde. Und dass dann alles, aber auch alles, zur Munition werden kann.

Nur: Die Art, wie Comey den US-Kongress unterrichtete, hat in der Tat einen merkwürdigen Beigeschmack. Statt zu informieren, hüllte er alles in Nebel. Statt Fragen zu beantworten, warf er eine Unzahl an Fragen auf.

Wer weiß, was in den Mails steht, die Huma Abedin, Hillary Clintons enge Beraterin, von ihrer Chefin oder aus deren Umkreis erhielt. Ging es um Staatsgeheimnisse? Oder handelte es sich um eher Banales? Ging es um die Strategie im Umgang mit Wladimir Putin? Oder um die Bitte, beim Starbucks um die Ecke schnell einen Latte macchiato zu holen? Nun stochert jeder im Nebel, in angeblichen Mitteilungen "mit dem Fall Betrauter" – bis auf die Detektive des FBI, die den Fundus unter die Lupe nehmen. Der Mangel an Fakten hat zur Folge, dass wüsten Spekulationen Tür und Tor geöffnet sind.

Comey von vornherein parteipolitische Einflussnahme zu unterstellen ist allerdings eine gewagte These. Gewiss, der Mann ist Republikaner, aber nach bisheriger Erfahrung keiner, der sich so leicht vor einen Parteikarren spannen lässt. Allerdings hätte er die politische Wirkung seiner kryptischen Zeilen genauer bedenken müssen. So ließ er jenes Fingerspitzengefühl vermissen, das gerade in der Endphase einer erbitterten Wahlschlacht dringend nötig gewesen wäre. (Frank Herrmann, 30.10.2016)