Demonstranten begleiteten die Ceta-Unterzeichnung im Ratsgebäude in Brüssel. Es kam zu 15 Festnahmen.

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Am Ende wäre das Freihandels- und Investitionsabkommen von EU und Kanada doch noch fast gescheitert – an Justin Trudeau! "So sorry", hieß es, als die kanadische Delegation mit dem Premierminister Sonntagmittag vor dem Ministerratsgebäude in Brüssel der Limousine entstieg.

Dort warteten bereits der Präsident des Europäischen Rats, Donald Tusk, der die Staats- und Regierungschefs der Union vertrat, und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auf Trudeau. Die Herren umarmten sich fest zur Begrüßung, die Stimmung war gut, es gab gleich etwas zu tratschen: Trudeau hatte eineinhalb Stunden Verspätung, wegen eines technischen Schadens an seiner Maschine vor dem Abflug.

Aber nun galt das Motto "Ende gut, alles gut", wie Juncker sagte, nach wochenlangem Gezerre, weil mehrere Mitgliedstaaten den Pakt nicht unterschreiben wollten ohne ergänzende Erklärungen, die ihre Sorgen zerstreuen und Sonderwünsche betonen sollten. Zuletzt hatte das wallonische Regionalparlament in Belgien Freitag Ceta beschlossen. Der Rat der Mitgliedstaaten folgte im Eilverfahren, sodass Tusk – einigermaßen überraschend – Freitag kurz vor Mitternacht den am Donnerstag abgesagten EU-Kanada-Gipfel für Sonntag einberief.

300 Demonstranten

Von alldem war nun kaum noch die Rede. Vor dem Ratsgebäude demonstrierten rund 300 Ceta-Gegner. Sie sorgten für einen Polizeieinsatz, als sie mit Farbbeuteln Sicherheitsbeamte attackierten und ins Gebäude eindringen wollten. Es gab 15 Festnahmen.

Im Gebäude wurde von den EU-Spitzen, Kanadas Premier und dem slowakischen Premier Robert Fico als derzeitigem Ratspräsidenten mit der Unterzeichnung des Vertrags ein Schlusspunkt unter sieben Jahre dauernde Verhandlungen gesetzt. Der Pakt könne als Modell für alle weiteren Handelsabkommen der EU und in der Welt als Modell dienen, wie Juncker betonte. In einer gemeinsamen Pressekonferenz hoben Trudeau, Tusk und der Kommissionschef noch einmal die Vorteile des Ausbaus der transatlantischen Beziehungen durch mehr Handel hervor.

Chance für kleine Betriebe

Der kanadische Premier sagte zu der Kritik, die von NGOs und Teilen der Bevölkerung geübt wurde, er sehe das nicht so dramatisch, wie die Debatte in Europa abgelaufen sei. In seinem Land sei es auch ganz normal, dass Vorschläge einer Regierung von den Parlamenten und der Bevölkerung hart getestet und hinterfragt würden.

Er sei selbst Regierungschef in einer Förderation, in der die Regionen starke Rechte haben, habe also jedes Verständnis für die Debatten und Verzögerungen der vergangenen Wochen. Was den Inhalt anlangt, zeigte er sich überzeugt, dass Ceta nicht nur den großen Konzernen zugutekäme, sondern vor allem eine Chance für Klein- und Mittelbetriebe sei. Und für die Mittelschicht der Gesellschaft. Trudeau betonte dabei, dass das neue und "modernste Abkommen der Welt" aber nicht von sich aus wirke, es sei bloß Text.

Wirtschaft ankurbeln

Den Europäern wie den Kanadiern, die beide auf soziale Sicherheit wie Umwelt- und Nahrungsmittelschutz setzen, müsse es erst gelingen, das Abkommen mit Leben zu erfüllen und auch "weiterzuentwickeln, die Wirtschaft anzukurbeln, mit qualitativ hochwertiger und gut bezahlter Arbeit.

Ceta-Befürworter rechnen, dass der transatlantische Handel um 20 Prozent zunehmen wird. 99 Prozent aller Zölle auf Produkte fallen weg, die Wirtschaft der EU soll um zwölf Milliarden Euro angekurbelt werden, was Gegner bestreiten. Umstritten sind Schiedsgerichte für Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten. (Thomas Mayer aus Brüssel, 30.10.2016)