Auch McDonald's betreibt eine eigene Lehrlingsakademie in Österreich.

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Wien – Es ist die erste Unterrichtswoche, und die Schüler der Berufsschule für Brau- und Getränketechnik und Destillateure in Wien-Döbling müssen noch einigen Trockenübungen absolvieren: Direktor Hans-Joachim Schmidt, der einige Stunden pro Woche selbst im Klassenzimmer steht, versucht den Jungspundbrauern Chemie anhand der stofflichen Zusammensetzung eines Biers näherzubringen.

Vor ihnen liegt ein dicker Wälzer in Wörterbuch-Größe, "Technologie" markiert in fetten Lettern die Überschrift. Diejenigen, die noch nicht so sattelfest sind, müssen dort Strukturformeln nachschlagen. Es ist ein untypischer Lehrberuf: Wer später einmal Bier brauen oder Schnaps brennen möchte, muss hier zur Schule gehen. In diesem Lehrgang – pro Jahr gibt es drei – sind es 24 Lehrlinge, die sich derzeit in verschiedenen Betrieben in der Ausbildung dazu befinden.

Die naturwissenschaftliche Komponente dieses Lehrberufs werde oft unterschätzt, erzählt Schmidt. Man müsse oft erst die Grundlagen auffrischen, bevor man in die Details der Brau- und Destilliertechnik gehen könne. Dafür steht dann eine große "Lehrbrauerei" bereit. Doch nicht nur das Berufsbild ist ein eher ungewöhnliches, auch die Schulform der Getränketechnik-Berufsschule ist eine besondere: Träger der Schule ist das Österreichische Getränkeinstitut – ein privater Verein.

Berufsschulen mit Allgemeinbildungsauftrag

Kennt man Privatschulen vor allem als kirchliche Institutionen im Gymnasialbereich oder als Volksschulen mit alternativpädagogischen Ansätzen, muten Berufsschulen in privater Hand vielen seltsam an. Sie sind auch wesentlich weniger verbreitet: Laut Statistik Austria sind von 158 Berufsschulen lediglich sechs in privater Trägerschaft. Die Träger sind, sofern sie keine Vereine wie das Getränkeinstitut sind, dafür umso bekannter: Von Swarovski und Spar über die ÖBB bis hin zu McDonald's leisten sich eine Handvoll Firmen private Ausbildungsstätten.

Was passiert, wenn Firmen plötzlich nicht nur für die praktische Ausbildung, sondern auch für die Allgemeinbildung der Lehrlinge zuständig sind? Laut Ernst Reiffenstein, dem Wiener Landesschulinspektor für Berufsschulen, nicht unbedingt viel: "Die privaten Berufsschulen unterrichten den Rahmenlehrplan des Bundesministeriums für Bildung. Die Schulinspektionen werden genauso durchgeführt wie an den öffentlichen Berufsschulen." Bisher habe es keine Mängelliste gegeben, so Reiffenstein.

2.000 Euro pro Lehrgang

Der allergrößte Teil der Berufsschulen in Österreich – in Wien sind es 23 von 26 – gehört zum öffentlichen Schulwesen. Das Getränkeinstitut, dem Hans-Joachim Schmidt seit elf Jahren vorsteht, ist ein gemeinnütziger Verein, die Kosten pro Lehrgang belaufen sich auf 2.000 Euro. Das Geld wird laut Schmidt in der Regel von den Arbeitgebern eingehoben, die die Lehrlinge hier in die Schule schicken. Das Institut erfüllt eine öffentliche Funktion: Österreichweit ist es die einzige Schule, die für Lehrlinge im Getränkebereich eine Schulbildung anbietet. Diese ist für Lehrlinge Pflicht, denn die duale Ausbildungsform sieht eine Praxisausbildung im Betrieb, gekoppelt mit einem Unterricht in der Berufsschule vor, weshalb auch die künftigen Bierbrauer die Schulbank drücken müssen. Das ist auch der Grund, warum man vornehmlich keine Wiener Dialekte unter den Schülern des Getränkeinstituts hört, denn diese pilgern aus ganz Österreich in die Hauptstadt.

Einer von ihnen ist Fritz Brandstätter, der auf Umwegen doch noch zu seinem Traumberuf gefunden hat. Der Salzburger hatte keine Ausbildung und ist jetzt mit 25 "heilfroh, Lehrling zu sein und nicht mehr Hilfsarbeiter". Seit März arbeitet er im Betrieb der Salzburger Weißbierbrauerei. Von den 24 Schülern dieses Jahrgangs sind zwei weiblich, und das sei sogar überdurchschnittlich, sagt Schmidt. Für eines der beiden Mädchen, Elena, war das sogar ein Grund, sich für den Beruf zu entscheiden: "Ich wollt etwas machen, was untypisch für eine Frau ist", erzählt sie. Und: "Kosmetikerin war blöd." Die Niederösterreicherin lernt bei Radlberger in St. Pölten und wird auch nach ihrem Lehrabschluss im Betrieb bleiben. Die 19-jährige Carina war zuvor Chemielabortechnikerin und lernt jetzt bei Gösser, was ihr "ganz gut" gefällt.

Firmenakademien als Ausbildungsstätten

Die meisten Berufsschulen in privater Trägerschaft sind jedoch nicht als gemeinnütziger Verein eingetragen, sondern werden direkt von Firmen betrieben: 2014 eröffnete McDonald's eine "Akademie für Systemgastronomie", eine private Berufsschule zur Ausbildung der hauseigenen Lehrlinge mit Standort Waldegg in Niederösterreich. Unter anderem die Möglichkeit, "McDonald's-spezifische Inhalte vermitteln zu können", sei dafür ausschlaggebend gewesen, sagt Unternehmenssprecherin Ursula Riegler. In Österreich gibt es eine eigene Lehre für Systemgastronomie, unter die auch die Ausbildung von McDonald's fällt. In der McDonald's-Akademie sollen die Lehrlinge in Hinblick auf die Anforderungen des Unternehmens ausgebildet werden

Dass im Berufsschulbereich der Eindruck entstehen könnte, dass eine bestimmte Firma zu viel Einfluss auf die Allgemeinbildung der Lehrlinge nimmt, kann McDonald's-Sprecherin Riegler nicht nachvollziehen: "Man entscheidet sich ja schon im Vorhinein für ein Unternehmen. Ist dieses dann auch für die Berufsschulausbildung zuständig, ist das nur konsequent." Ihrer Erfahrung nach würden sich Schüler und Eltern diesbezüglich keine Sorgen machen.

Derzeit absolvieren 16 Lehrlinge die Ausbildung, bis Jahresende wird noch eine dritte Klasse folgen. "Die Lehre hat leider einen schlechten Ruf in Österreich", sagt Riegler. "Lehrlinge gelten als billige Arbeitskräfte." Aufgrund dieses Umstands ertrinke sie nicht gerade in Bewerbungen, so Riegler. Die überschaubare Anzahl an Bewerbungen dürfte der Grund sein, warum McDonald's die Ausbildung ab kommendem Jahr wieder in eine dezentrale Form überführen wird. Der McDonald's-Nachwuchs wird in Zukunft also wieder öffentliche Berufsschulen im jeweiligen Bundesland besuchen. (Vanessa Gaigg, 31.10.2016)