Spiele-Designer Robert Yang behandelt in seinen Games die männliche Homosexualität. Yang ist neben seiner Indie-Game-Tätigkeit Vortragender auf der New York University.

Foto: Robert Yang

"Cobra Club".

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"Stick Shift".

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"Hurt Me Plenty".

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"Rinse and Repeat".

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Der US-amerikanische Game-Designer Robert Yang scheut nicht davor zurück, explizite Inhalte in seine Spiele zu packen. Sex, Homosexualität und Erotik sind die zentralen Themen seiner intimen Games. Im Interview mit dem GameStandard erzählt der unkonventionelle Designer über seine Ideen, Sex in Games und welche Rolle die USA in der Marginalisierung von XXX-Inhalten in Computerspielen spielen.

Der männliche Körper

Ein Blick auf Yangs Website offenbart auf dem ersten, schüchternen Blick, welches Element in seinen Spielen die zentrale Rolle spielt: der nackte Männerkörper. Yang besitzt in der Gaming-Szene und auf der Onlinespieleplattform Steam den Ruf eines Enfant terrible. Yangs Fokus auf Sex und Sexualität führte bereits mehrmals dazu, dass seine Spiele von Steam verbannt wurden. Und blickt man tiefer hinein, erkennt man auch warum: Yangs Spiele zeigen mehr oder weniger explizit die Lust des männlichen, homosexuellen Körpers.

Video: Gameplay zu "Cobra Club".
Robert Yang

Dick Pics und schwule Autos

Das wohl anschaulichste und dadurch für den Arbeitsplatz ungeeignetste Spiel ist Yangs "Cobra Club", ein virtueller Dick-Pic-Simulator. Das selbsterklärende Spiel soll laut Yang einen neuen Betrachtungsweise schaffen, "was Dick-Pics für die Gesellschaft bedeuten". In "Cobra Club" gibt es einen frei bewegbaren 3-D-Penis und eine justierbare Kamera für das perfekte Bild des Gemächts. Das männliche Glied ist völlig frei gestaltbar, was Größe und Hautfarbe betrifft. Das Penisbild wird beim Auslösen der Kamera auf eine Fake-Regierungsseite geladen und soll eine Kritik an Totalüberwachung und Privatsphäre sein.

Weitaus absurder geht es in "Stick Shift" zu. In dem kurzweiligen Spiel setzt man sich als Fahrer hinter das Steuer eines schwulen Autos. Um sein Ziel zu erreichen, muss man den Steuerknüppel des Gefährts masturbieren und bis in den fünften Gang hochschalten, bis das Auto auf Hochtouren läuft und seinen Höhepunkt erreicht. Ganz dem Klischee entsprechend, zündet sich der Fahrer die Zigarette danach an, während dem virtuellen Auto eine zweideutige Flüssigkeit aus dem Auspuff tropft.

Video: Gameplay zu "Stick Shift".
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Spanking und Lutschen

Yangs Spiele-Triptychon "Radiator 2" besteht aus remasterten Versionen seiner Games "Succulent", "Hurt Me Plenty" und "Rinse and Repeat", die die Fetische homosexueller Männer in den Mittelpunkt stellen. "Rinse and Repeat" ist ein Duschsimulator, in dem man seinem Kumpel eine helfende, einseifende Hand reicht. "Succulent" zeigt einen durchtrainierten, halbnackten Mann, der seiner Eisleidenschaft frönt, in dem er genüsslich und intensiv an einem Wassereislutscher leckt.

Das wohl härteste Spiel in Yangs Repertoire ist "Hurt Me Plenty". Ganz dem Fetisch des Spanking verschrieben, also dem leichten bis harten Schlagen auf den Hintern, verpasst man seinem virtuellen Gegenüber saftige Klapse auf das Hinterteil. Yang ging es in diesem Spiel um die Darstellung der in der BDSM-Szene üblichen Praktik und dem Aspekt des Einverständnisses seines Sexualpartners.

Video: Yangs Trilogie.
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Designer Yang im Gespräch

Der GameStandard hat beim Entwickler nachgefragt, was der tiefere Sinn hinter den – zugegeben etwas absurden – Spielen ist. Yang selbst ist einer der am häufigsten verbannten Spielentwickler auf Steam trotz seines Bemühens, die meisten seiner Spiele als suggestiv zu verkaufen. Nacktheit und Sex sind von jeher der Gaming-Industrie ein Dorn im Auge. Yang spricht sich öffentlich für sexuellen Inhalt in Computerspielen aus und kämpft mit seinen Spielen seit Jahren um eine Normalisierung und Enttabuisierung von erotischen und sexuellen Inhalten in Games.

Im Interview erzählt Yang nicht nur darüber, wie er zu den Ideen seiner Spiele kommt, sondern über das Problem von Sexualität und Homosexualität in Games. Er kritisiert die USA als strengen Regulator solcher Inhalte und spricht über sein neues Projekt "The Tearoom", ein Spiel, in dem Männer auf öffentlichen Toiletten Sex haben und das gleichzeitig als Kommentar auf historische Ereignisse der Gay-Community dient.

STANDARD: Was ist Ihr Ziel mit diesen Spielen beziehungsweise mit der Implementierung von erotischen, homosexuellen Inhalten?

Yang: Ich versuche spezifische sexuelle Situationen zu erkunden – wie zum Beispiel die Aufnahme eines Dick-Pic im Badezimmer oder mit anderen Männern zu duschen – und dann mache ich ein Videospiel daraus. Aber in all meinen Spielen ist die Fantasie nie perfekt. Menschen (und Sex) sind oftmals schmutzig oder peinlich oder enttäuschend. Ich möchte diese Komplexität des Sex ehren, im Besonderen schwulen Sex, den die Gesellschaft häufig zu sehr vereinfacht.

STANDARD: Als homosexueller Game-Designer, wie beurteilen Sie die Gaming-Industrie, wenn es um Homosexualität geht? Ist sie gleich marginalisiert wie zum Beispiel Frauen oder farbige Menschen, oder handelt es sich dabei um eine ganz andere Ebene der Marginalisierung?

Yang: Unter den Spielentwicklern sind der Sexismus und der Rassismus ein viel größeres Problem. Niemand macht das absichtlich, aber das bedeutet nicht, dass es dadurch weniger schmerzt. Abgesehen davon wissen Computerspiele einfach nicht, wie man über Sex spricht, egal in welcher Form, und nicht nur über schwulen Sex.

STANDARD: Wieso glauben Sie, dass es ein Problem gibt mit sexuellen Inhalten in Games?

Yang: Teil des Problems sind die Vereinigten Staaten, die ja einen essenziellen Teil der Gaming-Industrie darstellen. Und die Amerikaner regulieren Sex nicht nur, sie bestrafen ihn auch relativ stark. Diese Einstellung infiziert die gesamte globale Spieleindustrie.

STANDARD: Gibt es einen Unterschied zwischen männlicher und weiblicher Homosexualität in Games?

Yang: Ja. Viele Videogames sexualisieren Frauen ohnehin schon genug, dadurch ist es auch schwierig, ein Spiel zu machen, das Frauen anspricht, die Frauen lieben – der "weibliche Blick" ist ein vollkommen anderer als der "männliche Blick" –, und dieser männliche Blick versucht immer, den weiblichen zu ersticken und zu überwältigen. Aber manche Spiele sind erfolgreich darin, und diese Spieledesigner sind wirklich talentiert. Ich empfehle das Spiel von Christine Love, "Ladykiller in a Bind". Es geht darin um Frauen, die Frauen lieben, und um die Macht des weiblichen Blickes.

STANDARD: Gibt es unterschiedliche Betrachtungsweisen von Sexualität und Homosexualität als Thema im Spiel in westlichen Kulturen im Gegensatz zu asiatischen Kulturen? Es scheint so, als würde es mehr Spiele mit sexuellen Inhalten in japanischen Spielen geben, als in amerikanischen oder europäischen.

Yang: Es gibt viele Unterschiede, aber diese bedeuten nicht notwendigerweise, dass eine Kultur sexueller oder weniger sexuell ist als die andere. Zum Beispiel sind Liebesgeschichten über schwule, feminine Männer in Japan viel verbreiteter und beliebter. Aber erst kürzlich hat die japanische Regierung eine Künstlerin verurteilt, weil sie ein Boot gebaut hat, das wie eine Vagina aussieht. Ist also Japan mehr oder weniger sexuell, mehr oder weniger unterdrückt? Ich denke, diese Einteilung geht am Thema vorbei.

Auf Twitter postet Yang Updates zu seinem neuen Projekt "The Tearoom".

STANDARD: Wie finden Sie Ideen für ein neues Game-Projekt, und wie schaut der Prozess aus?

Yang: Meine Spiele beginnen mit einer Fantasie oder einer Situation, und dann versuche ich die Logik und die Politik dahinter zu finden. In meinem bevorstehenden Spiel, "The Tearoom", zum Beispiel, wollte ich ein Game über Männer kreieren, die mit anderen Männern auf öffentlichen Toiletten Sex haben. Es ist bei weitem nicht genug eine virtuelle 3-D-Toilette zu machen oder den AI-Code für die virtuellen Männer zu programmieren. Es ist ebenso wichtig, über die Voraussetzung und die Geschichte jeder einzelnen Design-Entscheidung nachzudenken.

In den USA gibt es eine lange Historie von Polizeiattacken auf Schwulenbars oder auf die Community. Dadurch wollten sie die Nachricht vermitteln, dass niemand nirgendwo sicher sei. Deswegen wurden viele Männer an den Rand der Gesellschaft gedrängt – und trafen sich in Parks, Toiletten, spät in der Nacht, oder dort, wo keiner anwesend war. Die Regierung wollte homosexuelle Menschen blamieren, aber wieso sollten wir uns schämen, wenn wir sonst keinen Ort haben, wo wir hingehen können? Wenn ich also ein Spielsystem gestalte, benötige ich das Risiko und die Spannung, aber auch den Mut und den Scharfsinn. Ich behalte diese Designziele im Kopf, dann teste ich das Spiel, danach behebe ich Fehler etc. Ich arbeite so lange, bis ich das Gefühl habe, dass ich alle meine Designziele erreicht habe. Manchmal braucht das nur eine kurze Zeit, manchmal Wochen, und manchmal benötige ich mehrere Monate oder ein Jahr dafür. (Kevin Recher)