Zufrieden mit der neuen Investitionsprämie für Klein- und Mittelbetriebe, aber enttäuscht über die fehlende Einigung der Koalition auf eine Arbeitszeitflexibilisierung zeigte sich Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl (ÖVP) am Mittwoch.

Angesichts eines schwächelnden Wirtschaftswachstums und einer geringen Neigung der Unternehmen zum Investieren "ist es dringend notwendig, dass wir neue Investitionsanreize geben", sagte Leitl im STANDARD-Gespräch während seiner Afrikareise. Ein größeres Paket sei budgetär nicht möglich gewesen. "Aber auch das ist ein deutliches Zeichen zur Stimmungsverbesserung, und Investitionen hängen stark von der Psychologie ab." Wichtig sei allerdings, dass die Finanzierung für die zwei Jahre durchgängig gesichert ist und die Förderungen von neuen Anschaffungen nicht vorzeitig auslaufen.

Verlängerung der Forschungsprämie

Notwendig sei nun auch die Einigung auf die Verlängerung der Forschungsprämie für Großunternehmen als "ganz wichtiges Asset für den Standort", fügte Leitl hinzu. Die Ausweitung der Neuverschuldung durch solche Maßnahmen sorge ihn nicht, weil diese sich im Gegenteil zu anderen neuen Ausgaben zu einem guten Teil selbst finanzieren.

Die Wirtschaft werde die Ausweitung der täglichen Höchstarbeitszeit auf zwölf Stunden – und dies nicht nur für Betriebe mit Gleitzeitregelungen – so wie ein Umstieg auf ein flexibles Jahresarbeitszeitmodell, das keine Überstundenzuschläge innerhalb dieses Durchrechnungszeitraums vorsieht, weiter betreiben, betonte Leitl. "Bei der Arbeitszeit bleiben wir drauf, denn das ist auch im Interesse der Arbeitnehmer, die mehr zeitliche Souveränität wollen." Derzeit würden Betriebe bei guter Auftragslage Überstunden ausbezahlen und bei schwachem Geschäft die Mitarbeiter in die Arbeitslosigkeit schicken. "Das ist eine Belastung des Sozialsystems und werder sozial noch fair", so Leitl.

Keine sechste Urlaubswoche

Die von der Gewerkschaft im Abtausch geforderte Zustimmung zu einer generellen sechsten Urlaubswoche für ältere Arbeitnehmer lehnt Leitl allerdings weiterhin kategorisch ab. Das würde zwar nur eine kleine Gruppe von Menschen berühren. "Aber es wäre das völlig falsche Signal, weil es ältere Arbeitnehmer bei der Wiedereinstellung verteuert und ihnen die Jobsuche erschwert. Die gleichen, die die sechste Urlaubswoche fordern, machen den Unternehmen dann den Vorwurf, dass sie ältere Menschen nicht einstellen."

Auch ein Bonus-Malus-System für die Beschäftigung von Älteren sei der falsche Weg. Man sollte Betriebe nicht bedrohen, sondern Anreize für längeres Arbeiten bieten. Der Drang zur raschen Pensionierung gehe derzeit aber genauso von Arbeitnehmern wie von Arbeitgebern aus. Da müsse man sich neue kreative Anreize einfallen lassen.

Prämie

Leitl schlägt deshalb vor, dass jeder Arbeitnehmer, der über das gesetzliche Pensionsantrittsalter hinaus arbeitet, eine Jahresprämie von 3.000 Euro auf die Hand erhalten sollte, und ebenso der Betrieb. Das wäre ein viel stärkerer Anreiz zum längeren Arbeiten als die jüngst beschlossene Halbierung der Pensionsbeiträge und würde sich finanziell für alle Seiten auszahlen. "14.000 Euro beträgt eine Durchschnittspension eines Arbeiters im Jahr, die sich die Sozialversicherung erspart. Wenn man 6.000 Euro auszahlt, bleiben immer noch 8.000 Euro übrig. Und 3.000 Euro auf die Hand sind ein wirklicher Anreiz, da kann man sich etwa eine schöne Reise leisten. Ich verstehe nicht, warum so einfache Lösungen nicht in Betracht gezogen werden."

Beim Thema Wertschöpfungsabgabe, auf die Bundeskanzler Kern drängt, weist Leitl darauf hin, dass "wir auf der einen Seite nun Investitionen fördern und sie daher nicht gleichzeitig höher besteuern sollen. Das ist doch konterproduktiv." Eine Senkung der Lohnnebenkosten sei zwar notwendig – Leitl will eine Reduzierung um fünf Milliarden Euro auf das Niveau in Deutschland – aber man solle dafür viele Möglichkeiten andenken, etwa eine höhere Ressourcenbesteuerung oder eine höhere Mehrwertsteuer. Dies sei die Aufgabe einer Expertenkommission der Sozialpartner, der nächstes Jahr einen Bericht vorlegen soll.

Zur Entlastung der Steuerzahler fordert Leitl eine gesetzliche Begrenzung der öffentlichen Gebühren. Diese dürften nicht mehr als die Inflationsrate angehoben werden. "In der öffentlichen Hand ist eine Abcash-Mentalität entstanden, die wirklich kaufkraftschädigend ist. Das sind Monopolisten, die alles verlangen können, weil es keinen privaten Wettbewerb gibt. Das erhöht die Inflationsrate und fließt so in die Kollektivvertragsverhandlungen hinein. Über ein paar Jahre katapultiert man sich so aus der Wettbewerbsfähigkeit hinaus." (Eric Frey aus Johannesburg, 26.10.2016)