Google-Forscherin Astrid Weber

Dass man im Silicon Valley in einer Blase lebt, die mit der restlichen Welt nur begrenzt zu tun hat, ist Astrid Weber nur allzu bewusst. Hat sich die in Deutschland geborene User-Experience-Expertin doch zum Ziel gesetzt, diese abgeschlossene Welt ein kleines Stück zu durchbrechen, und zusätzliche Perspektiven einzubringen. Dies tut sie seit dem Jahr 2013 als "Senior User Experience Research Lead Accessibility" bei Google.

In dieser Rolle arbeitet sie mit einer Gruppe von Entwicklern und Forschern, die sich um die Barrierefreiheit der Google-Produkte kümmert – mit einem speziellen Fokus auf mobile Geräte. Das neueste Ergebnis dieser Bemühungen nennt sich "Voice Access", eine App, die eine umfassende Sprachsteuerung von Android-Smartphones ermöglicht. "Natürlich gibt es schon länger digitale Assistenten wie Siri, aber denen ist gemein, dass sie nur High-Level-Commands bieten oder Suchanfragen machen, womit nur ein kleiner Teil der Smartphone-Steuerung abgedeckt wird", betont Weber.

Umfassende Sprachsteuerung

Das ist bei "Voice Access" anders. Die App versieht jedes Bildschirmelement mit einer Nummer, neben allgemeinen Befehlen wie "Open Settings" oder "Scroll Down", kann die Nutzerin also einfach eine Nummer sagen, um das entsprechend markierte User-Interface-Element auszuwählen. Wichtig ist dabei natürlich, dass die Entwickler ihre Apps sauber aufbauen, solange alle UI-Elemente ordentliche gelabelt sind, sollten sie auch mit Voice Access funktionieren, betont die Forscherin.

Mit Voice Access lässt sich ein Android-Gerät vollständig mit Sprache steuern.
Google

Dabei zeige sich, wie wichtig einheitliches Design nicht nur für die Usability sondern auch für die Barrierefreiheit sei. Wer sich an die Vorgaben des Material Design hält, mache sich die Arbeit in dieser Hinsicht wesentlich einfacher. Weber betont denn auch, dass das eigene Team an der Entwicklung der Material-Design-Richtlinien beteiligt war. "Es ist mir ein besonderes Anliegen, dass Barrierefreiheit von Anfang an mitgedacht wird – und zwar sowohl aus einer technischen als auch UX-Perspektive", unterstreicht Weber ihren Ansatz.

Barrierefreiheit

Überhaupt sei es wichtig zu bedenken, dass es bei Sprachsteuerung nicht bloß um die Vision des Star-Trek-Computers, die Google so gerne bemüht, geht. Ein Großteil der mobilen Welt sei auf Touch fokussiert, dies sei aber eine Eingabeform, die für viele Nutzer nur schwer oder gar nicht tauglich sei. Insofern sei die Weiterentwicklung der Sprachsteuerung auch ein wichtiger Schritt in Richtung Accessibility.

Weber betont dabei, dass sich Google durchaus bewusst ist, dass hier noch einiges an Arbeit vor dem Unternehmen liege – vor allem wenn es um Mehrsprachigkeit gehe. "In Englischen funktioniert das mittlerweile sehr gut, bei anderen verbessern wir uns stetig – das gilt auch für die deutsche Sprache". In Anbetracht der Entwicklung der letzten Jahre sieht die Forscherin sehr zuversichtlich in die Zukunft: Vor fünf Jahren sei die Sprachsteuerung auch auf Englisch noch eine eher frustrierende Angelegenheit gewesen, mittlerweile liefere die Google-Erkennung hingegen wirklich gute Ergebnisse.

Forschung

Bei all dem dürfe man nicht vergessen, dass Barrierefreiheit keineswegs nur eine Frage der Softwareentwicklung ist. Weber verweist dazu auf die Forschung der Google-Mutter Alphabet zu selbstfahrenden Autos. Diese würde vielen Menschen, die selbst kein Fahrzeug lenken können, eine neue Mobilität ermöglichen. In urbanen Regionen Europas mag man sich das nicht vorstellen können, aber gerade in weitläufigeren, ländlichen Gegenden könne dies viel verändern. "Das ist auch eine Frage von Autonomie und Selbstbestimmung, und daran hängt viel Lebensqualität", betont Weber.

Realität jenseits des Silicon Valley

Barrieren ganz anderer Art versucht Weber auch in einem weiteren Bereich bei Google abzubauen, nämlich als Field Researcherin für Accessibility UX. In dieser Rolle sucht sie bewusst nach dem Gegenteil zur kalifornischen Google-Welt, und reist in Entwicklungsländer, um vom Alltag und der Probleme der Nutzer dort zu lernen. "Diese Forschungsarbeit ist besonders wichtig als Kontrast zu unserem Fokus im hochentwickelten Silicon Valley, dessen Bewohner stets die neuesten Technologien nutzen und wenige essentielle Nöte haben", so die Google-Forscherin.

In anderen Ländern gebe es ganz andere Herausforderungen, zum Beispiel sei das Internet nicht wie in den Europa oder USA immer und überall verfügbar, geschweige denn "Highspeed", und wenn dann seien die Onlinedienste oft sehr kostspielig. Daraus gelte es Schlüsse zu ziehen und entsprechende Anpassungen zu machen – von denen schlussendlich alle Nutzer profitieren würden. (Andreas Proschofsky, 6.11.2016)