Bei den Volkstheatergesprächen zum Thema "What‘s up, Feminismus?" diskutierten (v.l.n.r.) Stefanie Sargnagel, Hanna Herbst, Corinna Milborn, Dudu Küçükgöl und Eva Geber.

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"Nicht alles, was ich mache, ist feministisch", betont Stefanie Sargnagel.

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"Endlich wieder menstruieren wie ein Mann" will Stefanie Sargnagel. Zum Auftakt ihrer Lesung in der Roten Bar des Volkstheaters ließ die diesjährige Gewinnerin des Publikumspreises des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs es gleich einmal krachen: "Jeder Schas, den ich lasse, ist plötzlich feministisch", sprach sie. "What‘s up, Feminismus?" war das Thema der ersten "Volkstheatergespräche", die ab sofort in loser Folge von der Journalistin Corinna Milborn gestaltet und moderiert werden.

Lieblingsspeise Buffet

"Nicht alles, was ich mache, ist feministisch", betonte Sargnagel. Ständig werde bei Interviews ihr Geschlecht ins Spiel gebracht. Das nerve. "Was ist feministisch?", befragt sie in Folge bei der Lesung ihre eigenen Kurztexte aus den "Callcenter-Monologen" und "Fitness", die ursprünglich als Facebook-Einträge entstanden sind. Nicht zufällig wählt sie dabei die Themen "Aussehen, Männer und Regel": "Nur weil man blad ist, ist man nicht automatisch politischer Body-Aktivist." Und: "Meine Lieblingsspeise ist Buffet."

Sargnagel thematisiert ihre Lustangst vor Miss Sporty und beschwört den Schas als weibliche Empowering-Maßnahme. Den Hasspostings, von denen sie selbst immer wieder betroffen ist, schleudert sie ein paar politisch unkorrekte Antwort-Raps entgegen. Ihre Eigenwahrnehmung: "Ich bin ein fetter, alter Wiener Prolo mit Stoffwechselalter 44."

Feministische Bestandsaufnahme

Derart aufgewärmt, starteten Hanna Herbst, Stellvertretende Chefredakteurin von "ViceAustria", die feministische Aktivistin Dudu Küçükgöl und Eva Geber, 35 Jahre lang Redakteurin der Zeitschrift "AUF" der Wiener Frauenbewegung, ihre Diskussion. Eine Bestandsaufnahme nach Köln, Gina-Lisa Lohfink und der Burkinidebatte im medialen Sommerloch wolle man versuchen. "Ist etwas weitergegangen oder stehen wir vor einem Backlash im Feminismus?", fragte Milborn. Dass Rechte die Übergriffe von Köln nützen für ihre rassistische Politik und um Angst zu schüren, darin waren sich die Diskutantinnen einig. Küçükgöl verwies auf die Initiative #ausnahmslos. "Wir müssen es schaffen, über die Übergriffe zu reden, ohne rassistisch zu sein", betonte sie.

Radikalisierungsgefahr

Anlässlich der aktuellen Studie zur Radikalisierungsgefahr unter muslimischen Jugendlichen entspann sich eine Diskussion um konservative Rollenbilder, vor allem bei jungen muslimischen Männern. Solle man diesen in der Jugendarbeit eher in geschlechterhomogenen Gruppen entgegentreten oder nicht? "Beides ist notwendig", unterstrich Küçükgöl aufgrund ihrer Erfahrung in der Muslimischen Jugend Österreichs. "Wichtig ist, dass diese jungen Männer starke Frauen erleben, auch Frauen in Führungspositionen." "Erziehen durch Vorbild, nicht Verbot", unterstrich Geber. Auch der "Humor" sei, wie Sargnagels Lesung gezeigt habe, "eine sehr gute Waffe".

Angstgetriebene Debatte

"Wir müssen uns trauen, darüber zu reden", forderte Herbst. "Wir befinden uns hier in Österreich in einem Dauerwahlkampf, und alle haben ständig Angst, etwas Falsches zu sagen. Wir sind angstgetrieben, und das ist schlecht."

Aber auch die Positiva wurden angesprochen: Milborn wies auf den US-Wahlkampf hin und darauf, dass die "Nein-bleibt-Nein-Debatte" auch dort prominent angekommen sei. "Es ist ja bezeichnend, dass Trump das Wort Vagina nicht aussprechen kann, Pussy allerdings schon", so Herbst.

Hass im Netz

Zum Thema des sexualisierten Hasses im Netz wies sie auf mehrere Initiativen hin (#aufstehen etc.). Es sei in diesem Zusammenhang wichtig, dass man Hasspostings leichter anzeigen könne. "Ich liebe Shitstorms", betonte Sargnagel, "wenn sie sich gegen mächtige Männer wenden." Sie selber habe Hasspostings gegen ihre Person bisher nicht angezeigt. Küçükgöl betonte die Vermischung sexistischer und rassistischer Gewalt im Netz – und auch auf der Straße. Gerade Frauen mit Kopftuch würden in Österreich immer wieder verbal, aber auch körperlich angegriffen. Es folgte ein Exkurs über die "Salonfähigkeit" von Religionen.

Feminismus, so zeigte sich einmal mehr, hat viele Gesichter. Geber gefiel die "Vielfalt des Diskurses". "Bildung schützt", betonte sie. "Wenn diese Bildungsarbeit sonst niemand macht, müssen eben wir sie machen", so Herbst. "Wir müssen wirklich laut sein." (Tanja Paar, 24.10.2016)