Die Differenzen zwischen SPÖ und ÖVP vergrößern sich nicht nur in Sachfragen. Sie sind zunehmend ideologisch geprägt. Die ÖVP wirft den Sozialdemokraten eine Art neuen Klassenkampf vor, die SPÖ der Volkspartei einen neoliberalen Kapitalismus. Wer in den gegenseitigen Attacken bloß Polemik vermutet, liegt falsch. Die ÖVP rückt nach rechts, die Sozialdemokraten ein Stück weit nach links. Ob es schon im Frühjahr Neuwahlen gibt oder nicht, ist nahezu nebensächlich. Ob 2017 oder 2018: Es wird keine "große Koalition" mehr geben, weil die ideologischen Gräben zu tief geworden sind und die Akteure weiter stechen und schaufeln.

Risse in den Traditionsparteien

Selbst in den Traditionsparteien gibt es Risse. ÖVP-Chef und Wirtschaftsbündler Reinhold Mitterlehner hat am Freitag zum Thema Steuern und Abgaben von einer "christlich-sozialen" Volkspartei gesprochen, weil sie "solidarisch" sei mit jenen, "die das Modell finanzieren". Also mit den reicheren Schichten. Die christliche Soziallehre sieht jedoch eine Umverteilung nach oben nicht vor, sondern nur eine nach unten, zu den Ärmeren.

Da der Finanzminister, sieht man ab von seinem budgetär motivierten Eintreten für eine internationale Finanztransaktionssteuer, neoliberal argumentiert, hat Mitterlehners Rede erstmals seit Jahren die schwarzen Arbeiterkämmerer in Tirol und Vorarlberg aus den Tälern auf die Höhen getrieben. Sie wollen keine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeiten und wohl auch keine globalen Handelsabkommen zulasten der Kleinen und Schwächeren. Sie kennen die Bilanz der Globalisierung: Die Schere zwischen Arm und Reich geht weiter auf.

Mindestsicherung

Der Konflikt entzündete sich aktuell an der Mindestsicherung. Auf der einen Seite stehen Politiker wie Sebastian Kurz (im Verein mit der FPÖ), die Flüchtlinge und Inländer unterschiedlich unterstützen wollen. Auch für gleiche Arbeit – Stichwort "Ein-Euro-Jobs" – soll es eine unterschiedliche Entlohnung geben. Kenner der christlichen Soziallehre wie der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer stehen auf diesem Gebiet der SPÖ näher als den eigenen Konservativen.

In der SPÖ, wo die Vorstöße des Kanzlers – Beispiel "Maschinensteuer" – bis jetzt eher demonstrativen Charakter haben, entpuppt sich mehr und mehr Sozialminister Stöger als ideologische Waffe der Partei. Er reizt die ÖVP mit seinem Beharrungsvermögen bei der Mindestsicherung – wohl auch im Blick auf seine Heimat Oberösterreich, wo zwischen den schwarzen Landeschef Pühringer und dem FPÖ-Obmann Haimbuchner kein Blatt mehr passt.

Auf organisatorische Reformen wie die jüngsten bei der Schulreform werden sich SPÖ und ÖVP weiterhin verständigen können. Aber substanzielle, ideologisch fundierte wird es nur mit Rot-Grün (ohne Aussicht auf eine Mehrheit) oder Blau-Schwarz geben.

Mit einem "Bürgerblock" (wie man solche Koalitionen in den 60er-Jahren nannte) wird es mehr von dem geben, was wir haben: Abschottung gegenüber Menschen, aber freier Zuzug für Waren aller Art. Mehr Reichtum, weniger Sozialhilfen. (Gerfried Sperl, 23.10.2016)