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Während drin verhandelt und diskutiert wird, wird draußen gegen das Freihandelsabkommen protestiert.

Foto: REUTERS/Francois Lenoir

Brüssel – Die belgische Region Wallonien lässt den EU-Gipfel bis zuletzt zittern: Die Regionalregierung lehnte am Donnerstagabend einen Kompromissvorschlag der EU-Kommission zum Freihandelsabkommen Ceta mit Kanada ab. Die Regionalregierung will nun direkt mit Kanada verhandeln. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hofft auf einen Durchbruch bis zum Ende des EU-Gipfels am Freitag.

Das Parlament Walloniens hatte vor einer Woche mit deutlicher Mehrheit gegen das Freihandelsabkommen gestimmt. Dadurch kann Belgien der für kommende Woche geplanten Unterzeichnung von Ceta vorerst nicht zustimmen. Dann wäre das gesamte Abkommen blockiert.

Merkel: "Scheitern verhindern"

Juncker konnte nach eigenen Angaben nicht am gesamten Gipfel am Donnerstag teilnehmen, weil er sich in Gesprächen mit Wallonien und Kanada um eine Lösung bemühte. "Diese Anstrengungen werden die Nacht durch verlängert", sagte Juncker. Auch für den Morgen seien Treffen geplant, "um dieses wichtige Vorhaben zu einem guten Ende zu führen". Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sagte, man wolle ein Scheitern von Ceta verhindern. "Wir arbeiten daran, dass es dazu nicht kommt, aber die Gespräche sind schwierig."

Juncker warnte wie auch EU-Ratspräsident Donald Tusk vor einem Scheitern. Wenn Ceta nicht abgeschlossen werden könne, "sehe ich nicht, wie es möglich sein soll, Handelsvereinbarungen mit anderen Teilen der Welt zu haben".

Kanada sieht noch Verhandlungsspielraum

Die kanadische Regierung sehe noch "Verhandlungsspielraum", sagte Walloniens Ministerpräsident Paul Magnette laut der Nachrichtenagentur Belga. Kanada scheine "bei manchen Punkten offener als die europäischen Instanzen oder einige EU-Staaten" zu sein. Am Freitagmorgen will Magnette die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland treffen, bevor er das wallonische Parlament unterrichtet.

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) verneinte die Frage, ob angesichts des wallonischen Widerstands Österreich zu früh eingelenkt habe. "Ich bin davon überzeugt, dass das, was jetzt vorliegt, eine gute Basis ist, um dem zuzustimmen. Es wäre Österreich nicht gut zu Gesicht gestanden, hier verantwortlich dafür zu sein", sagte Kern. Er wies darauf hin, dass der wallonische Widerstand auch innenpolitische Gründe habe.

Für eine Lösung zu Ceta zeigte sich weiterhin optimistisch. Es gebe noch einige Tage Zeit bis 27. Oktober. "Ich gehe aus, dass bis dahin eine Lösung gefunden wird." Jedenfalls seien die Probleme mit der belgischen Region Wallonien auch ein "Hinweis, dass wir Veränderungen brauchen".

Klarstellungen im Begleittext

Die EU-Kommission hatte Änderungsvorschläge in einem Begleittext zu dem Freihandelsabkommen unterbreitet. Dabei ging es unter anderem um Klarstellungen zu Umwelt- und Sozialstandards, Datenschutz und Landwirtschaft. Die EU-Botschafter sagten am Donnerstagabend bei einem kurzfristig angesetzten Sondertreffen ihre Unterstützung für die Änderungsvorschläge zu, wie ein EU-Diplomat sagte. Diese wurden dann aber vom wallonischen Kabinett abgelehnt.

Forderungen gibt es auch noch von Rumänien und Bulgarien: Beide wollen im Gegenzug für ihre Zustimmung zu Ceta eine schriftliche Zusage für eine Visa-Befreiung von Kanada erhalten. "Das wird mittlerweile nicht mehr als so großes Problem gesehen", sagte der EU-Diplomat am Donnerstagabend. Kanada habe Bereitschaft signalisiert, den beiden Ländern in einem zweistufigen Verfahren eine Visa-Befreiung zuzugestehen. Erst müsse es aber von belgischer Seite grünes Licht für das Abkommen geben.

Belgiens Premier Charles Michel hat angesichts der Probleme mit der Region Wallonien in Bezug auf eine Ceta-Lösung vor "radikalen Positionen" gewarnt. Vor Beginn des zweiten EU-Gipfeltags zeigte er sich von einer Einigung nicht überzeugt.

Nächtliche Lösungssuche

Die ganze Nacht auf Freitag sei eine Lösung gesucht worden, es habe auch Kontakt mit dem kanadischen Premier Justin Trudeau und der EU-Kommission gegeben, sagte Michel. Die Gespräche würden nun fortgesetzt. Notwendig sei der ausgeprägte Wille jedes Partners.

Der estnische Regierungschef Taavi Roivas hofft weiterhin auf eine Einigung beim EU-Gipfel über das Freihandelsabkommen mit Kanada. Er verwies auf die Bedeutung des Freihandels. "Es ist offensichtlich, dass damit Jobs und Wohlstand geschaffen werden. Wir müssen auch die Instrumente modernisieren, aber es darf nicht protektionistisch werden." (APA, 21.10.2016)