Wien – Diese Umfrage wäre unter Autofahrern wohl nicht anders ausgegangen: Eine große Mehrheit hält die eigenen Fähigkeiten für überdurchschnittlich – was dem Einzelnen schwerlich zu widerlegen ist, sehr wohl aber der Gesamtheit. Der Fondsanbieter Schroders musste bei einer weltweiten Umfrage unter 20.000 Privatanlegern nun eine derartige Erfahrung machen, was die Experten des Hauses als Selbstüberschätzung auslegen – die hauptsächlich unter jungen Menschen ausgeprägt ist.

In der Altersgruppe der Millennials, die Schroders als Personen zwischen 18 und 35 Jahren definiert, gaben 61 Prozent der Befragten an, über mehr Finanzkenntnisse zu verfügen als ein durchschnittlicher Privatanleger. Wesentlich zurückhaltender sind diesbezüglich ältere Investoren ab 36 Jahren, von denen sich bloß 45 Prozent für besser informiert halten als Otto Normalanleger. Quer über alle Altersklassen trifft das mit 51 Prozent auf eine knappe Mehrheit zu. Bestätigt wurde diese Fehleinschätzung der eigenen Kenntnisse durch die Frage nach der richtigen Definition einer "Anlageverwaltungsgesellschaft", an der unabhängig vom Alter die Mehrheit scheiterte.

Finanzziele in Gefahr

Die Folgen für jene, die dieser Selbstüberschätzung unterliegen, stuft Achim Küssner, Chef von Schoders Investment Management, folgendermaßen ein: "Zusammen mit anderen Ergebnissen, die zeigen, dass Anleger im Hinblick auf die Erträge ihrer Investitionen unrealistische Erwartungen haben, bedeutet dies, dass sie Gefahr laufen, ihre Finanzziele deutlich zu verfehlen."

Diesen Schluss kann Ewald Judt, Honorarprofessor an der WU Wien, nur teilweise nachvollziehen. Einerseits treffe die Selbstüberschätzung vor allem auf Millennials zu, jedoch bleibe für junge Menschen am Anfang ihres Berufslebens in der Regel ohnedies kaum etwas für die hohe Kante übrig. Zudem ist seiner Ansicht nach vielmehr das Nullzinsumfeld Hauptproblem für das Einhalten der Finanzplanung: "Man muss schon sehr lange sparen, um das angestrebte Ziel zu erreichen."

Sparkultur der Nachkriegszeit

"Ich glaube auch nicht, dass man alle Millennials in einen Topf werfen sollte", ergänzt Judt unter Verweis auf regionale Unterschiede. In den USA, wo die laufenden Kosten zumeist per Credit Card abgedeckt würden, seien junge Menschen von Anfang an der dortigen Kreditmentalität ausgesetzt. In Österreich hätten Millennials hingegen von ihrem Elternhaus die "Sparkultur der Nachkriegszeit" mit auf den Weg bekommen, die erst nun im Nullzinsumfeld "langsam, aber sicher bröckelt".

Judt glaubt folglich nicht, dass Selbstüberschätzung der Jugendlichen in Österreich zu überhöhtem Risiko in der Veranlagung führen würde: "Jugendliche sind unternehmungs- und abenteuerlustiger als Ältere, aber nicht risikofreudiger beim Anlegen."

Nicht nur in Österreich hält Judt die Finanzkenntnisse für zu gering: "Das ist ein Schwachpunkt in der Ausbildung. Da ist einiges zu tun." In diesem Punkt geht er mit den Ergebnissen der Schroders-Studie d'accord, laut der in Europa 85 Prozent der Befragten ihr Wissen über Geldanlage ausbauen wollen, in anderen Erdteilen noch mehr: Im aufstrebenden Asien trifft dies sogar auf fast 19 von 20 Befragten zu. (Alexander Hahn, 27.10.2016)