Am Mittwoch ging in Darmstadt ein spektakuläres und wohlinszeniertes Ereignis über die Bühne: Die Mission ExoMars, eine gemeinschaftliche Unternehmung der Europäischen Weltraumorganisation Esa und ihres russischen Counterparts Roskosmos, erreichte ihren bisherigen Höhepunkt. Die Raumsonde Trace Gas Orbiter wurde in eine Umlaufbahn um den Mars gebracht, das Manöver klappte tadellos. Zeitgleich landete ein kleiner Testroboter auf dem Mars.

Doch die Landung war offenbar nicht von Erfolg gekrönt. Das ursprünglich schon für Mittwochabend erwartete Signal blieb aus, am Donnerstagvormittag gab es bei der Pressekonferenz im Raumflugkontrollzentrum der Esa in Darmstadt dann lange Gesichter. Die Verantwortlichen wollten vor allem über die Raumsonde reden, die aus wissenschaftlicher Perspektive auch tatsächlich relevanter ist als der Roboter: Sie soll in den nächsten Jahren die Marsatmosphäre untersuchen und gleichzeitig als Relais-Orbiter, also quasi als Datenfunkstation, dienen.

Den Fragen der Journalisten zum Zustand des Roboters wurde ausweichend und mitunter genervt begegnet. Das Wort Misserfolg wollte niemand in den Mund nehmen. Esa-Generaldirektor Johann-Dietrich Wörner verließ das Podium gar vorzeitig, andere lächelten tapfer. Noch ein kaputter Marsroboter (schon 2003 verschwand ein Lander der Esa beim Landeanflug auf den Mars) ist schlechte PR – und schlechte PR ist fatal für das Budget.

Das ist nicht nur bei der Esa so, sondern in allen Bereichen der Wissenschaft und ihrer Institutionen. Ergebnisse, die noch so brauchbar sein können (wie etwa Daten, die zeigen, warum eine Marslandung schiefgelaufen ist), passen nicht ins Heureka-Bild. Doch Wissenschaft funktioniert so nicht. Sie braucht Misserfolge.

Heute haben es schon PhD-Studenten schwer, wenn sie keine spektakulären Ergebnisse vorweisen können. Wenn ein Forschungsversuch scheitert, ist gleich die Karriere in Gefahr. Kreative, aber riskante Projekte werden lieber vermieden. Denn um an Forschungsgelder zu kommen, brauchen Wissenschafter Publicity und müssen möglichst viel publizieren. Doch Fehlschläge oder Ergebnisse, die schlicht frühere Resultate bestätigen, sind den Fachjournalen nicht interessant genug. Diese Arbeiten verschwinden allzu oft in den Schubladen – und sind damit für die Wissenschaft verloren.

In der vorherrschenden akademischen Erfolgskultur sind Fehlschläge dazu verdammt, versteckt und kaschiert zu werden. Solange sie aber ein Tabu bleiben, können sie ihr Potenzial nicht entfalten und werden sich wiederholen. Es ist bezeichnend, dass es sich nicht einmal die Europäische Weltraumorganisation leisten kann zu sagen: Wir sind enttäuscht, es war leider kein voller Erfolg, aber wir lernen daraus. Was es dringend braucht, ist eine Kultur des Scheiterns – auf dem Mars und auf der Erde. (David Rennert, 20.10.2016)